Am Samstag, den 30.6.2018 ging auf der Augsburger Freilichtbühne die Premiere des neuen Musicals „Herz aus Gold“ von Stephan Kanyar über die Bühne. Der in Musicalkreisen bekannte Komponist hat schon einige interessante Werke geschaffen, darunter Lulu, Casanova und Frankenstein. Für sein Musical Einstein war er beim Deutschen Musical-Theater-Preis 2016 in vier Kategorien nominiert.
Ein so schaffenskräftiger Mann im Hintergrund, der sich mit Fugger beschäftigt, mit Chris Murray und Roberta Valentini zudem zwei außerordentlich bekannte und versierte Musicalgrößen als Hauptdarsteller: Augsburg wartete gespannt.
Um es vorwegzunehmen: Mich hat das Musical überzeugt. Die Melodien gehen fast ausnahmslos schnell ins Ohr, renaissance-artige Motive lassen den Zuschauer eintauchen in vergangene Zeiten. Die erzählte Geschichte ist zwar der Fantasie des Komponisten und des Texters entsprungen, funktioniert aber in weiten Teilen wunderbar. Dort, wo es nicht um Emotion und Leidenschaft geht, sondern um Finanzthemen und das Wirtschaften, kommt die Story meines Erachtens ein wenig sperrig daher. Da aber der Liebesgeschichte ungleich mehr Platz eingeräumt wird, unterhält das Gesamtpaket dennoch. Hauptdarsteller wie Chor und Ensemble hatten sich intensiv vorbereitet und spielten grandios auf. Das Orchester blieb fehlerfrei und akzentuiert, klang bisweilen aber etwas dumpf, da sie – witterungssicher – auf der Bühne eingehaust waren.
Das ist auf Freilichtbühnen ein bekanntes Phänomen und war nur am Anfang etwas ungewöhnlich (zuletzt sah ich „Tanz der Vampire“ im Wiener Ronacher Theater, wo der Wumms von 30 Orchestermusikern im Theaterrund noch mal ganz anders ankommt). Fantasievolle Kostüme, ein stimmiges Bühnenbild und eine durchdachte Inszenierung machten die Welturaufführung von „Herz aus Gold“ zu einem außergewöhnlichen Abend.
Ouvertüre
Die Ouvertüre beginnt fanfarenartig und stimmt damit gleich auf das Thema ein: Das Leben des damals reichsten Menschen der Welt – was außer Fanfaren wäre da angemessener? Jakob Fugger der Reiche war sozusagen der Bill Gates des 15./ 16. Jahrhunderts. Reich durch Innovation und entschlossen in der Idee, einfach mal mehr oder andere Dinge zu wagen als die Mitmenschen und dabei auch nicht immer nur zum Wohle der Kundschaft handeln. Daneben sozial engagiert, so wie eben heute Bill Gates mit seiner Stiftung weltweit operiert. Fugger war, der Zeit geschuldet, bei seinem sozialen Engagement lokal deutlich eingeschränkter. Er baute in seiner Heimatstadt Augsburg die Fuggerei, jene Sozialsiedlung, in der bis heute noch bedürftige katholische Augsburger für ’n Appel und ’n Ei wohnen dürfen. Ob das tatsächlich aus innerem Antrieb, Armen zu helfen geschieht oder das Karma bestochen werden soll, das konnte man früher und kann man auch heute nicht nachprüfen. Fest steht: Die Bewohner der Fuggerei müssen sich beim Einzug verpflichten, täglich für das Seelenheil des Stifters zu beten. Ja, so heißt die Devise in der freien Wirtschaft bis heute: Eine Hand wäscht die andere und wo einem Bill Gates positive Berichterstattung in den Medien bei seinen Vorhaben nützt, so hoffte Fugger wohl auf positives Feedback der Bedürftigen beim Schöpfer persönlich.
Dass die Geschichten von Reichtum und Macht über alle Zeiten hinweg ähnlich sind und sich deshalb schöne Bögen vom 15. Jahrhundert in die Neuzeit schlagen lassen, macht musikalisch eben schon jene Ouvertüre zu Beginn deutlich: Die fanfarenartigen Renaissance-Klänge verwandeln sich schnell und zielgerichtet in ein poppiges Anfangsthema. Daran anschließend reißt das Ensemble mit im Opening, dass Augsburg, Augsburg du mächtigste Stadt besingt. Diese Hymne an die Heimatstadt findet ohne Umwege den Weg in des Zuhörers Ohr, vielleicht, weil es im Thema ein wenig an die Black Pearl aus dem Fluch der Karibik erinnert, eingetaucht in Dreiklangsfarben früherer Zeiten. Ähnlich mitreißend, allerdings weniger als Hymne, sondern mehr als Lied huldigt Christian Kolonovits Barock-Oper „Vivaldi“ (letzte und zukünftige Spielzeit an der Volksoper Wien) Venedig mit einer ähnlichen Liedzeile: Venezia, du einzige Stadt. Barocke Themen scheinen in Mode zu sein und möglicherweise inspirieren sich die Künstler da gegenseitig.
Opening
Der Chor eröffnet das Stück also in dieser Anfangssequenz und begeistert sofort durch den vollen Klang, da Höhen und Tiefen voll ausgeschöpft werden. Die fantasievollen Kostüme des Ensembleteils, das die reichen Patrizier darstellt, sind modernisierte Adelsgewänder mit tollen Kopfbedeckungen. Das alles ist in Rot-Grüß-Weiß gehalten, die Farben, die nicht nur dem FCA-Fan als Farben Augsburgs geläufig sind. Es wird uns der Heimkehrer Jakob Fugger vorgestellt, der im fernen Venedig eine Ausbildung zum Kaufmann erhalten hat.
Empfangen wird er von seinen Brüdern Ulrich (souverän: Gerhard Werlitz) und Georg (leider mit starkem Akzent: Stanislav Sergeev) und seiner Mutter (eine Glanzleistung abliefernd: Elke Kottmair). Mit dem Geschäftsmann Welser (auch gleichzeitig der Herr der Inszenierung: Holger Hauer) kommt auch gleich der Gegenspieler in Sachen Geschäfte auf den Plan. Zusammen stellen sie das traditionelle Gegengewicht dar zu Jakob Fugger, der, aus Italien kommend, neue Ideen sowohl in Sachen Finanzgeschäfte als auch Lebensfreude mitbringt. Komponist wie Choreograph (Ricardo Fernando) setzen diese zwei unterschiedlichen Sichtweisen – wie es sich für ein Musical gehört – mithilfe eines mitreißend und über alle Maßen gelungenem Tanz Patrizier gegen Fußvolk, traditionelle Schritte gegen modernen Stil um. Ein erstes Bravo für diesen belebenden Auftritt.
Tanz!
Da taucht Sibylla (Roberta Valentini) auf, Jakobs Jugendliebe. In einem wunderschönen Duett entfaltet die Musik und der Gesang der beiden Hauptdarsteller ein klares weiches Bild vom zärtlichen Versprechen, immer zusammenzubleiben, welches sie sich als Kinder gegeben haben. Jakob hat diese Idee über die ganze Zeit seiner Abwesenheit bewahrt, ja geradezu geschützt. Mit liebevoller Eindringlichkeit erinnert er Sibylla an dieses Versprechen, ihm und seiner unkonventionellen Art zu folgen: Komm lass dich gehen, ich geh mit. Die Art und Weise, wie harmonisch das Lied komponiert wurde, setzt hier schon den unmissverständlichen Akzent, dass diese beiden Menschen etwas besonderes verbindet. Beide Hauptdarsteller spielen und singen weich und leidenschaftlich und schaffen es, trotz verhaltener Gesten, den Zuschauer in den Bann dieser zärtlichen Liebe zu ziehen. Umso schlimmer Jakobs Entsetzen, als er erkennen muss, dass Sibylla das Versprechen ihrerseits nicht eingehalten hat: Sie ist verheiratet und hat eine Tochter, ebenfalls Sibylla genannt.
Dem ebenfalls in Sachen Geldgeschäften agierenden Welser, der Regeln und Traditionen verhaftet ist und Jakob aus mehreren Gründen skeptisch gegenübersteht, erklärt Jakob seine Idee des Fortschritts: Wenn man die Schritte nur so weit setzt, wie einen die Alten gelehrt haben, wie kommt man da vom Fleck?
Familienquartett
Auch gegenüber der Familien muss Fugger seinen Brüdern und seiner Mutter erst die groben Züge seines Wirtschaftens erläutern. Er als Visionär, die Brüder an traditioneller Kaufmannskunst festhaltend, die Mutter zögerlich Jakob zugewandt: Daraus entspinnt sich ein spannendes Quartett, dass aber textlich leider oft unverständlich bleibt. Trotz allem wird dem Zuschauer klar, wer welche Anschauung vertritt, Details bleiben aber unklar. Im gesprochenen Dialog klingt außerdem die moralische Seite an der Art des Geldverdienens an. Ist es christlich, mit Schulden und mit Krieg Geld zu verdienen?
Dass Jakob Fugger sich durchsetzt mithilfe seiner Mutter lässt das Staging auch schön erkennen, dass er am Ende des Familien-Quartetts an dem Platz sitzt, an dem zu Beginn der Szenen seine Mutter saß. Den Platz, den er bis zu seinem Tod nicht wieder hergeben wird.
Nach oben
Denn Jakob will Nach oben. Der Song wurde schon vorab auf der Pressekonferenz vorgestellt. Damals fand ich ihn ganz nett, aber Begeisterungsstürme löste er keine in mir aus. Jetzt, eingebettet in die Szene, in das Bühnenbild und in der passenden Atmosphäre, entfaltet er seine ganze Kraft, wie auch Chris Murray seine ganze Erfahrung und sängerische Klasse voll einsetzen kann. Langsam beginnt das Lied mit einer Art Bestandsaufnahme des Jetzt und steigert sich gekonnt, der Vision Jakobs gleich, in Höhe, Dynamik und Lautstärke immer weiter nach, bis schlussendlich Fugger auf seinem Schreibtisch stehend den Ort andeutet, den er in der Welt erringen will: Nicht nur nach oben, sondern ganz nach oben. (Ich als Queen-Fanatiker erinnere mich hier an ein Zitat Freddie Mercurys, der sagte, er wolle nicht einfach ein Star sein, er werde eine Legende werden).
Gefühle kann ich mir nicht leisten
Ausgestattet mit dem nötigen Wissen und dem passenden Selbstbewusstsein hat er seine Mutter von seinen wirtschaftlichen Ideen überzeugt. Diese jedoch zeigt sich zutiefst besorgt, da ihr Jüngster keine Anstalten macht, die Bücher auch mal zur Seite zu legen und sich um einen Erben zu bemühen: Dein Verstand strebt unaufhaltsam nach vorn, aber dein Herz hast du hinter dir gelassen. Sehr hübsch wurden hier in der Musik durch Staccato die Spitzen verdeutlicht, die Barbara Fugger gegen den in Frauendingen völlig desillusionierten Sohn loslässt. Genau diese Desillusion trägt Chris Murrays Fugger dagegen breit zur Schau. Gegensätzliche Musik für gegensätzliche Standpunkte funktioniert auch in diesem Lied einwandfrei. Desillusion macht sich dann aber auch bei der Mutter breit. Auf Goldmünzen sitzend offenbart sich auch bildlich das Dilemma des übermäßig Reichen, der alles haben kann und doch erkennen muss: Gefühle kann ich mir nicht leisten.
Schach
Die Geschäftsbeziehung zu Welser ist eine ambivalente, denn zu verflochten sind die Finanzstricke der beiden, ihr Duell versinnbildlicht ein Schachspiel. Das Ensemble wird dazu optisch zu Schachfiguren gemacht. Eine klasse Idee. Leider, und das ist einer meiner ganz wenigen Kritikpunkte, wurde diese Idee meiner Meinung nach nicht liebevoll genug genutzt. Manch einer kennt vielleicht die Schachfiguren-Szene aus dem Musicalerfolg „Elisabeth“. Und an der gemessen, hat man hier ein bisschen Potential verschenkt. Die Choreographie ist in weiten Teilen auch ganz vielversprechend, aber man hat das Schachspiel als Idee nicht zu Ende gedacht. Überhaupt bleibt – wie oben schon erwähnt – der ganze Konflikt bzw. das Geschäftsgebahren zwischen den beiden mächtigsten Finanzmännern ihrer Zeit eher im Dunkeln. Für Menschen, die sich nicht tief mit Fugger und Welser beschäftigt haben, wird nicht ausreichend klar, welches Spiel wie gespielt wird. Einstweilen muss man sich mit der Tatsache begnügen, dass da, wo Geld im Spiel ist, keiner keinem traut und sich Geschäftsbeziehungen täglich ändern.
Man gibt der Erzählebene des Wirtschaftens durchaus Raum, aber nur insoweit, als dass sie uns den Mensch Fugger und sein Vorgehen, seinen Ehrgeiz und seinen Erfolg, näher bringt. Im ersten Akt hat das noch Hand und Fuß (Fugger bringt zum Beispiel die doppelte Buchführung mit aus Italien), im zweiten verwirren sich die Stränge des Wirtschaftens zu sehr.
Seh in mir, was ich bin
In den zwischenmenschlichen Emotionen aber, da hat das Musical seine absoluten Stärken, zum Beispiel im folgenden Seh in mir, was ich bin. Jakob und Sibylla haben längst eine Affäre miteinander begonnen. Er will, dass sie ihren Ehemann verlässt, sie kann und will es nicht. Zum einen würde es Schande bedeuten, zum anderen glaubt sie, nicht die richtige Frau für Jakob zu sein, dem sie aus Altersgründen keinen Erben mehr schenken könnte. Deshalb bittet sie Jakob, ihre Tochter zu heiraten. Mit der fixen Idee, ihr nicht erlangtes Glück an ihre Tochter weitergeben zu können, löst sie zunächst Entsetzen bei Jakob aus. Der allerdings willigt aus Liebe zu Sibylla senior ein und heiratet in einer pompösen Zeremonie Sibylla junior (Katharina Wollmann, die Roberta Valentini schon aufgrund der Haarfarbe ähnelt!)
Das geht zugegebener Maßen ein wenig schnell von statten und nicht nur ich war ob dieser Wendung zunächst irritiert. Aber arrangierte Ehen waren damals Gang und Gebe, wieso nicht auch hier. Obwohl es immer noch seltsam anmutet, wenn ein liebender Mann aus Not einfach die Tochter der Angebeteten zur Frau nimmt.
Nach oben (Reprise)
Der zweite Akt ist geprägt sowohl von familiärer als auch geschäftlicher Krise. Kaiser Maximilian ist sterbenskrank und Jakob Fugger fürchtet, das viele Geld, das er ihm geliehen hat, zu verlieren. Renaissance-Motive begleiten die Rufe der Herolde und künden vom Auftritt des Kaisers, während in einer Reprise von Nach oben sich Jakob fragen muss, ob er auf seinem Weg nicht vielleicht zu wagemutig über das Ziel hinausgeschossen ist. Zweifelnd startet diese Reprise deutlich ruhiger, und das Jakob sie kniend und betend beginnt, verweist vielleicht darauf, dass er erkannt hat, dass ganz oben, über ihm, noch einer ist.
Neben ihm immer an seiner Seite steht weiterhin Sibylla senior. Sie hilft ihm tatkräftig und Jakob ist dankbar, dass Sibylla, wenn auch auf andere Weise, die Stütze seines Lebens ist.
Du durftest mich nicht zwingen
Diese Situation ist für Sibylla junior nicht hinzunehmen und führt zu einem aufwühlendem Duett der beiden Sibyllas, Mutter und Tochter. Sibylla junior fühlt sich vernachlässigt – emotional und körperlich – und ist sich schon lange der Tatsache bewusst, dass Jakob nur ihre Mutter liebt, während diese ihre eigenen verdrängten Träume und Wünsche auf ihre Tochter projiziert hat: Du stelltest mich auf den Platz, auf dem du einst standest. Der lautstarke emotionale Zwist von Mutter und Tochter spielt sich auf der Drehbühne ab, die, wie die beide Frauen, ständig in Bewegung ist. Sie drehen sich – wie die Bühne – nur im Kreis, verheddern sich im Labyrinth der Gefühle. Du durftest mich nicht zwingen. Man sieht atemlos zu, welche Emotionen sprudelnd sich ihren Weg bahnen. In ihrer Vehemenz ist Katharina Wollmann als Tochter voller Ärger energetisch und anklagend, ihre aufgestaute Wut bringt die Mutter dazu, sich lautstark zu verteidigen. Ein kraftvolles, treibendes Stück, dass der Dramatik der Situation absolut gerecht wird. Allerdings wird auch das mehr an Erfahrung auf Seite von Roberta Valentini deutlich, die in diesem Stück stärkere Akzente setzen kann als ihre junge Kollegin Katharina Wollmann, die aber ihre Sache auch sehr gut macht.
Neue Welten, ferne Welten
Während also die Frauen einen Generationenkonflikt ausfechten, muss Jakob Fugger schauen, wie er seine Geldgeschäfte weiter ausweiten kann, wie er Sicherheiten in unsicheren Zeiten gewinnen kann. Er sucht zusätzlichen Profit in Neuen Fernen, neuen Welten. Die Tatkraft, die Jakob Fugger auf zwischenmenschlicher Ebene fehlt, steckt er weiter in seine Geschäfte, während sich Konkurrent Welser mit dynamischen Geschäftsprozessen schwer tut und weiterhin der statischere der beiden bleibt. Sehr schön immer wieder gegenübergestellt und verdeutlicht, worauf sich Fuggers Erfolg gründet.
Herz aus Gold
Diese Dualität, Erfolg im Geschäft blüht auf dem Misserfolg in Sachen Liebe, mündet im titelgebenden Lied Herz aus Gold, dem wohlerdachte Showstopper für Hauptdarsteller Chris Murray. Auf einer Treppe aus Golddukaten wandelnd, auch wieder in Richtung Nach oben (!), rechtfertigt und erklärt Jakob seinen gewählten Weg.
Bild Goldtreppe
Gold als kaltes hartes Metall, mit dem er sich wappnet gegen Gefühle, das seine weiche Seite schützt vor Leidenschaft und Schmerz. Für einen tatsächlichen Showstopper ist das Lied mir nicht Ohrwurm genug. Aber dennoch hat es seine Berechtigung und verschafft Murray noch einmal verdienten Applaus. Eindrucksvoll hält er den langen Schlusston, auf der Treppe aus Dukaten stehend auf der Bühne, die gänzlich in goldenes Licht getaucht ist.
Wo bin ich geblieben?
Eine Rückschau ganz ähnlicher Art betreibt auch Sibylla vor ihrem Tod: Wo bin ich geblieben, fragt sie sich und erkennt in einer schonungslosen Abrechnung mit dem eigenen Leben ihre Fehler: zum einen ist sie ihrer wahren Liebe nicht konsequent gefolgt, zum anderen hat sie ihre Tochter in eine Ehe gezwungen. Damals zweifelte sie nicht an der Richtigkeit ihrer Entscheidungen. Jetzt sieht sie ihr Leben mit andern Augen und erkennt:
wohin ich mich sehnte, steht jetzt mein Kind
Nichts tilgt die Schuld, schlecht war der Rat
Das Kind hat sich abgewendet, sie selbst hat Jakob zurückgewiesen: Am Ende ihres Lebens ist sie allein und rückwirkend ergibt keine ihrer Handlungen mehr Sinn.
Roberta Valentini legt viel Bitterkeit in dieses Lied. Schmerz und Trauer um ein Leben, in dem sie zu viele falsche Entscheidungen getroffen hat, nimmt den Zuschauer mit, macht ihn tief betroffen.
Das Narrenschiff
Kaiser Maximilian und Jakob Fugger klüngeln anschließend noch um Geld und Macht und Maximilian gibt Jakob dank eines Geschäfts die Möglichkeit: setzt Segel in die neue Welt. Er singt von voll beladenen Schiffen und an dieses kurze Solo schließt sich der Song Narrenschiff an. Laut Programmtext wurde 1494 eine Moralsatire dieses Titels gedruckt, die zum Inhalt die Laster und Fehler der Menschen hat und in der eine Menge von Narren auf einem Schiff auf das fiktive Narragonien zusegelt. Das Lied ist in Komposition und Ausführung durch Ensemble und Chor beeindruckend. Rockig und volltönend hebt es sich in der Choreographie und Kostümen ab und stellt so einen Kontrapunkt dar. Es wirft mit der Liedzeile „das Ziel der Fahrt ist der Wahn“ die Frage auf, inwieweit Reichtum oder das Streben danach glücklich machen. Möglicherweise läuft man einfach nur einer Narrheit hinterher, da am Lebensende der eigene Reichtum nichts nützt (das Schiff wird am Ende zerschellen)
Was macht uns fromm?
Zum Ende wird Martin Luther im Fuggerhaus zu seinen Thesen verhört (eine historische Tatsache). Da Fuggers Reichtum auch auf den Handel mit Ablaßbriefen gründete, gegen den Luther vehement wetterte, nutzten die Schaffer von Herz aus Gold hier die Möglichkeit der Konfrontation von Luther mit dem katholischen Fugger. Seine Frau Sibylla junior lässt sich von Luther und seinen Ideen faszinieren und verlässt Jakob Fugger, der nun ebenfalls völlig alleine ist.
Mich hat dieser Teil der Geschichte nicht vollkommen überzeugt, wirkt er doch ein wenig angestrengt im Versuch, noch eine geschichtlich verbriefte Tatsache unterzubringen. Außerdem sind in diesem Lied erstmals deutliche Unsauberkeiten in der Artikulation zu vernehmen, was das Textverständnis immens erschwert.
Finale
Zum Abschluss kommen – musicalgerecht – nochmal alle Hauptakteure zum Zug, Ensemble und Chor, alle vereinen sich im großartigen Finale, das zudem stimmungsvoll (Licht: Marco Vitale) beleuchtet ist.
Die Hauptrollen und ihre Darsteller
Chris Murray als Jakob Fugger
Er gestaltet die Rolle des Jakob Fuggers als die eines Visionärs, der stets den Fortschritt im Blick hat und dabei aber dennoch sympathisch wirkt. Voller Energie und Elan stürzt er sich in seine Unternehmungen, aber auch in das Abenteuer der Liebe. Dort schlägt er absolut glaubwürdig zarte, weiche Töne an. Hin und wieder hatte man den Eindruck, dass sein Mikrofon nicht alles mittrug, was er im Stande ist, stimmlich zu geben. Stephan Kanyar hat mit zwei tolle Soli komponiert, und Christ Murray hat es verstanden, diese zu nutzen. In Nach oben lässt zeigt er uns den energetischen und treibenden Fugger, auf der anderes Seite trägt er bei Herz aus Gold seine Resignation deutlich zur Schau. Er wandelt sicher zwischen den Emotionen und begeistert mit langen klaren Schlusstönen. Eine rundum gelungene Performance des Musicalstars.
Roberta Valentini als Sibylla senior
Zauberhaft anzusehen und wunderbar klar in der Artikulation, verleiht sie der liebenden und gleichzeitig leidenden Sibylla Kontur. Auch sie singt sich mühelos durch das emotionale Dickicht ihrer Figur. Zart und hell, mit jugendlicher Verliebtheit begegnet sie am Anfang Jakob. Entschlossen weißt sie ihn zurück und stimmgewaltig aber auch furchtsam, ob ihr Handeln doch eher Schaden als Nutzen für ihre Tochter war, geht sie in den Konflikt mit Sibylla junior. Ans Herz geht ihre Rückschau am Lebensende. Sie zu hören und zu sehen war mir eine wahre Freude.
Elke Kottmair als Mutter Barbara Fugger
Überlegt und ruhig lenkt sie zu Beginn die Geschicke des Familienunternehmens. Erhaben und sich ihrer Rolle und Standes bewusst tritt sie resolut auf gegenüber Welser. Ihrem Sohn gegenüber bleibt sie auch im Konflikt verständnisvoll. Sie wirkt in jeder Szene über alle Maßen majestätisch. Eine Glanzleistung in Gesang und Spiel.
Katharina Wollmann als Sibylla junior
Auch sie macht ihre Sache sehr gut. Erkennbar unzufrieden in ihrer Ehe hat sie ihren stärksten Moment, wenn sie gegen die Mutter rebelliert.
Christian Bock, Florian Koller, Edward Roland Serban, Thomas Zigon
von der Theater Akademie august everding als Boten und Herolde
bei jedem Auftritt brillierten sie mit Charme und Lässigkeit und bezauberten durch die gelebten Choreografien. Und singen können sich auch noch!
Jonna Lenke als Sibylla jr.als Kind
Immer herzig anzusehen, wie Kinder an die große Welt der Bühne geführt werden. Ein sehr schöner Kurzauftritt, bravo Jonna!
Gerhard Werlitz und Stanislav Sergeev als Fuggers Brüder Ulrich und Georg
Gesanglich souverän. Wie schon erwähnt ist der starke Akzent von Sergeev zu Beginn ungewohnt.
Holger Hauer als Welser
Tausendsassa Hauer zeigt sich nicht nur für die stimmige Inszenierung verantwortlich, sondern singt auch noch die Rolle des Fugger-Widersachers Welser. Auch das macht er wunderbar und legt seinen Welser so an, dass dem Zuschauer immer gewahr bleibt, dass Fugger der Erfolgreichere ist. Diese Figurenzeichnung erscheint vor der Tatsache, dass die Wirtschaftsthemen eher undurchsichtig bleiben, sehr wichtig.
Theisen Rusch als Luther
Den Grund, warum ich ihn so schlecht versanden habe, konnte ich nicht ausmachen. Fakt ist, das mir in dieser Sequenz viel zu viel Text gefehlt hat. Ob unsaubere Artikulation oder eine schlechte Mikrofoneinstellung bleibt dahingestellt.
Eckehard Gerboth als Kaiser
Hat mir persönlich schauspielerisch nicht gefallen, da er sehr statisch und zu bedächtig agierte. Sein Text klang eher, als würde er ihn vorlesen. Auch ein schwerkranker Kaiser bräuchte trotzdem deutlich mehr Ausstrahlung.
Oliver Marc Gilfert als Priester
Traut Jakob Fugger und Sibylla junior und weiß auch in der Kürze der Rolle zu überzeugen.
Fazit
Großer Applaus, der in stehende Ovationen mündet, erscheint nur gerecht. Das Wagnis, eine Welturaufführung auf die Freilichtbühne zu bringen, hat sich ausgezahlt. Ein Musical ist, bis auf wenige kleinere Kritikpunkte, gelungen. Alle involvierten Gewerke, vom Bühnenbild (Karel Spanhak) über die Kostüme (Sven Bindseil) und das Staging, verdienen höchstes Lob. Die Inszenierung kommt stimmig daher und die Philharmoniker (Leitung: GMD Domonkos Heja) spielten ohne Fehl und Tadel.
Sicherlich wird Herz aus Gold kein durchschlagender Welterfolg werden wie Elisabeth oder der Dauerbrenner Tanz der Vampire. Das muss aber auch gar nicht sein. Insgesamt ist es ein rundum gelungenes Stück mit leicht ins Ohr gehenden Melodien. Und die Tatsache, dass man in Augsburg gewagt hat, ein lokales Thema in dieser Art und Weise zu nutzen und derart professionell auf die Bühne zu bringen, kann gar nicht hoch genug geschätzt werden.
Alle Fotos: www.joachimschlosser.de
daniel blunck
wir warten ab….wohin sich fugger entwickelt…!?
ich wünsche diesem stück-alles gute!:-)
man kann es mit tanz der vampire nicht vergleichen!doe vampire sind -klimbim!!das ist reiner nonsens!!!!und elisabeth’dort haben kunze/levay 5-7jahre dtrsn gearbeitet!!
fugger würde eher richtung mozarz(kunze/levay)gehen!oder richtung luther pop oratorium (kunze/falk)inhaltlich!(luther schaffte 180 000 besucher 017 auf tour!1,69 millionen tv zuschauer zdf live aus der benz arena berlin übertragung:!!
murray-kann was!!habe ihn in köln wdr funkhaus (der fliegende holländer)musical mit milica jovanovic und wdr funkhaus orchester gehört!klasse!!
vereinigte bühnen wien….haben ihre zeiten gehabt!ihr spielplan ist gerade(und kommender)klimbim!
kein wesentlicher unterschied mehr zu stage!
vampire-ist inhaltlich das schwächste werk von kunze!
dafür“rebecca“sein inhaltlich stärkstes stück(musik levay)!
rebekka war übrings 017das beliebteste festspiel!gewählt von den zuschauern!festpiele tecklenburg machte rebecca zum fest!!u.a.mit pia douwes!!
fugger musical alles gute!möge es weit bekannt werden!!!!
deswegen schon-weil festspiele tecklenburg,festspiele bad hersfeld,festspiele thunersee,festspiele,koblenz,festspiele regensburg nix neues eigenes spielen!sondern alte schinken!
julia
Natürlich kann man Herz aus Gold nicht mit Tanz der Vampire vergleichen. Auch ich finde Tanz der Vampire nicht rundum gelungen (siehe vorhergehende Blogposts). Ein Dauerbrenner, wie ich es betitelt habe, bleibt es trotzdem (dieses Jahr zeitgleich in Deutschland und Österreich auf der Bühne). Und die VBW haben dieses Jahr im Ronacher damit eine Auslastung von 99,7% erzielt. Das muss Ihnen erst mal einer nachmachen. Der Unterschied zu Stage schwindet, ja, aber ist doch noch deutlich: Während bei Stage 10 Musiker im Orchestergraben sitzen, sind es bei den VBW mindestens doppelt so viel. Außerdem hat die VBW mit I am from Austria auch in dieser Spielzeit eine Eigenproduktion am Start.
In Dimensionen a la Vampire wird Fugger nicht vorstoßen. Aber es ist gut gemacht und hat Potential! Und ich bewundere erneut den Mut, dieses Stück auf die Freilichtbühne zu bringen!
P.S.: Mit der Wahl „Bodyguard“ für die nächste Spielzeit der VBW bin auch ich überhaupt nicht glücklich und ich hoffe, es fliegt Ihnen nicht allzu sehr um die Ohren…