Schon wieder einmal ist die beste Freundin Bille schuld, dass ich zu einem Musical komme, das ich gar nicht auf demSchirm hatte: Zu Mamma Mia wollte ich ja ursprünglich gar nicht, aber die liebste Bille hatte Geburtstag. Mamma Mia ist ihr Lieblingsmusical, also habe ich doch Karten besorgt. Und siehe da: Auch ich konnte mich von Herzen an diesem Geschenk freuen!
Zwar ist Mamma Mia für mich in feinster Weise vergleichbar wie der damals unverhofft mit Bille zusammen gesehene Glöckner von Notre Dame, aber ich war doch aufs positivste überrascht von der Energie, die Mamma Mia so ungehemmt in den Zuschauerraum schleuderte, dass das fast volle Theater stand, sang und tanzte!
Jukebox-Musicals
Ich bin Jukebox-Musicals gegenüber eher skeptisch eingestellt. Dabei habe ich gar nicht so viel Erfahrung damit. Aber ich habe einmal über die hanebüchene Story von We will rock you den Kopf geschüttelt und war obendrein entsetzt, wie schrecklich man dort die Wahnsinns-Lieder von Queen arrangiert hat. Auch wenn der Doktor persönlich, Brian May, das damals so abgesegnet hat, war ich dennoch geschockt fürs Leben und der festen Überzeugung, dass man im Radio und auf Konzerten funktionierende Musik nicht vermusicalen sollte. Bis Mamma Mia.
Film vs. Bühnenversion
Das Musical hat den Vor- und gleichzeitig den Nachteil, dass es als Verfilmung bereits einer breiten Masse an Zuschauern bekannt ist. Das ist insofern von Vorteil, denn wer sich beim Film schon gut unterhalten fühlte, weiß, was ihn on Stage erwartet. Nachdem der Film ja ein Erfolg war, ist somit eine bestimmte Masse an Zuschauern vorab schon mal als gesichert zu verbuchen.
Der Nachteil: Wer den Film allerdings gesehen hat und nicht so turbo-begeistert war, wird sich die Bühnenversion aber wohl eher nicht antun.
Das ist mehr als Schade, denn die Bühnenversion wie sie hier im Deutschen Theater gespielt wurde, ist um so vieles besser als der Film. Das ist runder in der Handlung, das ist kompakter und oft sinniger im Bühnenbild und es hat eindeutig die viel bessere Besetzung! Hollywood-Stars gegen Musicaldarsteller: Oh Wunder, aber für mich entscheiden eindeutig die schlecht bezahlteren Profis dieses Duell für sich.
Handlung
Die Handlung spielt auf einer griechischen Insel und wurde um die größten Abbahits meistens sehr sinnig drumrumgestrickt:
Sophie wohnt mit ihrer alleinerziehenden Mutter, die eine Taverne betreibt, auf einer griechischen Insel und möchte ihren Freund heiraten. Die Mutter – Donna – einst verrücktes Hippe-Huhn und eher unkonventionellem Gedankengut verhaftet gewesen, steht mittlerweile mit beiden Beinen auf dem Boden und hat sich in ihrem Singleleben eingerichtet. Niemals hat sie ihrer Tochter verraten, wer ihr Vater ist. Sophie aber hat im Tagebuch ihrer Mutter gestöbert und drei Kandidaten fürs Vateramt ausfindig gemacht: in Frage kommen Bill, Sam und Harry. Kurzerhand lädt sie alle drei zur Hochzeit ein. Die Männer glauben, Donna hätte sie eingeladen. Die wiederum hat gar keine Ahnung, dass die Männer sich auf den Weg zur Insel machen und warum. Ebenfalls auf die Insel begeben sich als Hochzeitsgäste sowohl Sophies Freundinnen als auch Donnas Freundinnen aus Jugendzeiten. Das erwachsene Dreigestirn – Donna, Tanja und Rosie – machen das Musical zu dem, was es ist: Action, Spaß, Schwung und Lebensfreude pur.Nach Irrungen und Wirrungen, Tränen der Trauer und der Freude, weiß am Ende immer noch keiner, wer denn jetzt Sophies Vater ist. Trotzdem ist alles wieder gut und jeder hat seine Lektion gelernt.
Die Handlung kommt insgesamt für ein Jukebox-Musical sehr rund daher und – das hat mich wirklich erstaunt – wurde gegenüber dem Film nochmals viel feingliedriger dargelegt. Einige Dinge werden im Film gar nicht behandelt. Zum Beispiel ging für mich im Film völlig unter, dass Sam einst der Architekt der Taverne war, die Donna auf der Insel betreibt. Im Film spricht Sam zwar immer von ihrem gemeinsamen Traum, dem Hotel/ der Taverne. Aber dass er genau diese Taverne vor 21 Jahren auf die Rückseite einer Speisekarte gezeichnet hat, hab ich nicht mitbekommen. (Anmerkung: Mittlerweile hab ich diese Szene auch im Film entdeckt!) Zum Verständnis ist das nicht notwendig, geb ich zu. Und trotzdem machen für mich diese Details die Geschichte runder und ein klein wenig emotionaler. Die Bühnenversion weist keinerlei Logiklöcher auf, packt sie doch auch mit Sophies Albtraum eine Szene des Films in ein anderes und schlüssigeres Gewand.
Bühnenbild
Sehr überschaubar in den Aufbauten, scheut sich das Musical nicht, auf das zu setzen, was es ausmacht: die Musik.
Darum gerät das Bühnenbild eher schlicht, unterstützt aber die Geschichte großartig: Es gibt die Wände der Taverne, und je nachdem, ob die Handlung gerade drinnen oder draußen spielt, werden die Wände gedreht. Das geht vollkommen unspektakulär, aber durchaus augenzwinkernd über die Bühne. Die Umbauten wurden auschoreographiert, das heißt, wer aufmerksam zuschaut, sieht, wie die Personen, die am Umbau beteiligt sind, in ihrer Rolle bleiben und diese auch im Umbau weiterführen. Das ist überaus amüsant zu beobachten. Ansonsten lässt die Bühne sehr viel Platz, der natürlich für die Tanzchoreos auch gebraucht wird.
Kostüme
Sehr sehr schöne, weil so augenscheinlich normale Kostüme im Urlauberlook hinterlassen den gleichen Eindruck, wie das Bühnenbild: Die gute Musik und die gute Geschichte sollen frei und nicht überladen wirken. Und doch sind die Klamotte dem jeweiligen Träger vorsichtig klischeehaft angepasst, dass deren Charakter nochmal hervorgehoben wird.
Die typischen ABBA-Kostüme, einmal in weiß und zum Schlussapplaus dann in bunt, sind natürlich nicht dezent gehalten, sondern springen förmlich ins Auge.
Die Musik
Ja, was soll man da noch groß sagen? Die Musik war wundervoll. Auch für Menschen wie mich, die jetzt keine glühenden Fans der Schweden sind, aber doch schunkelnd im Auto sitzen, wenn ein Abba-Song zufällig im Radio läuft.
Ganz geschickt sind so ziemlich alle bekannten Hits verwurschtelt worden. Was ich überraschend fand: sie wurden nicht alle überstrapaziert. Manchmal reichten zwei Strophen des Liedes aus. Das brachte Stimmung und Aussage rüber und dann wars auch wieder gut. Das hat das ganze sehr angenehm gemacht und Längen geschickt vermieden.
Gesungen wurde auf deutsch. Ich gebe zu, das ist zum Teil ein Manko. Deutsch als Sprache ist oft dermaßen sperrig, dass es manchmal nicht rund auf die knackigen Melodien passen will. Und wenn man mit den schwedischen Superhits auch textlich vertraut ist, dann klingt das oft schon sehr gewöhnungsbedürftig.
Andererseits blieben auch bei eigentlich Textunkundigen keine Lücken im Verständnis, da auch die Abmischung im Großen und Ganzen stimmte und man tatsächlich viel verstand.
Die Darsteller
Alle Darsteller lieferten insgesamt eine Runde Leistung ab. Aber, was mir auffiel: die weiblichen Hauptdarstellerinnen – Sophie, Donna und die Freundinnen – hatten sowohl gesanglich als auch im darstellerischen Spiel eindeutig die Nase vorn, während die Männer deutlich blasser rüberkamen.
Sophie: Katharina Georgi
Verträumt, verrückt, verliebt: Georgi lieferte alle Emotionen, die in einer jungen Frau stecken. Überzeugend aufgeregt, sympathisch ängstlich und hin und wieder emotional überfordert zeichnete sie ganz eindeutig eine Sophie, die lernt, dass einem Wurzeln Halt geben, egal, wie sie nun aussehen oder ob man sie kennt…
Sophies Freundinnen Ali und Lisa: Livia Wrede und Alba Alaoui
In der allerersten Sequenz, als die beiden Trauzeugen-Freundinnen auftauchen, dachte ich, der Musicalbesuch wird ein Fiasko. Die Szene, als die Freundinnen auf der Insel ankommen, ist vollkommen übertrieben. Die Mädels sind zu laut, zu enthusiastisch, zu gestikulierend. Ich nehme an, die Choreografie wollte das so. Da schwante mir Übles. Warum dieses Aufeinandertreffen derart gestaltet wurde, weiß ich nicht. Auch wenn Donna auf ihre Freundinnen trifft ist das eine ähnliche Situation. Wie auch immer. Ich fand genau diese 3 Minuten bescheuert. Was allerdings danach kam, hat mich deutlich versöhnt.
Livia und Abla spielen im Folgenden klar und mit viel Spielfreude die beiden jungen Mädchen, wobei ich zugebe, ich kann oft nur schwer den Blick von der zauberhaften Abla Alaoui wenden. Das ist aber ganz klar eine persönliche Präferenz. Ich mag sie einfach. Schon lange folge ich ihr auf Instagram, und Alba ist einfach eine erfrischende junge Frau, deren Art mir einfach liegt und die eine unwahrscheinlich natürliche Anmut besitzt.
Die Väter: Sam, Harry und Bill: Karim Khawatmi, Detlef Leistenschneider und Jörg Zuch
Die Szene, in der die potenziellen Väter unwissend aufeinandertreffen in der Taverne, ist ein großes Vergnügen und führt die Zuschauer geschickt an die unterschiedlichen Charaktere ran.
Natürlich bedienen die Männer bestimmte Stereotypen und zementieren diese durch sämtliche Klischees. Aber das soll so sein, das darf so sein und man erwartet als Zuschauer auch nichts anderes. Sie sind allesamt köstlich anzuschauen. Allerdings blieben sie hinter meinen gesanglichen Erwartungen deutlich zurück. Zu leise und hin und wieder nicht so ganz sauber in der Intonation präsentierte sich mir vor allem Sam. Der war mir auch zu wenig eindeutig in Gestik und Mimik. Ich erkenne aber durchaus an, dass in diesem Stück voller Charaktere, die gerne mal auf- und überdrehen, Sam derjenige mit den meisten leisen Töne ist. Er ist der am meisten nachdenkliche, und muss das glaubhaft rüberbringen, ohne die Grundstimmung des Musicals kippen zu lassen. Ganz hat er sich meiner Meinung nach damit nicht eingefügt in den beabsichtigten Bogen.
Aber insgesamt in einem außergewöhnlichen Ensemble eine solide Leistung, auch von den beiden anderen Herren, die ihre Rollen trotz aller gesanglichen Zurückhaltung trotzdem gut ausfüllten!
Donna: Eva Maria Bender
Absolut fantastisch wird Donna von Eva Maria Bender verkörpert. Eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht und auch stehen muss, denn sie hat keine andere Wahl. Das merkt man ihr auch differenziert an, diesen Zwispalt zwischen ich möchte das und ich kann ja nicht anders. Die Frau, die ihre Tochter alleine großzieht und nebenbei selbstständiger Arbeit nachgeht und darüber ihre wilde Vergangenheit verdrängt. Zu vernünftig ist sie dafür. Und doch schlummert da noch die alte Donna, und zwar gar nicht so tief. Es braucht nur die zwei Freundinnen, und schon geht’s wieder ab mit der Erinnerung an die Zeit, in der alles leicht schien und Verantwortung ein bloßes Wort.
Die Frau bringt genau das Charisma mit, dass die Rolle der Donna benötigt. Ihre Präsenz und ihre warme, aber unglaublich kräftige Stimme füllen Bühne und Zuschauerraum. Da ist Feuer drin und Leben, da sind alle Träume drin, die gelebten und die vergrabenen. Da ist die Vergangenheit drin und die Zukunft, die Liebe und die schnöde Lust.
Man kann sich das ja immer nicht so vorstellen bei so Jukebox-Musicals, dass da tatsächlich mehr transportiert werden soll als einfach das Lied. Aber schaut euch einfach Eva Maria Bender als Donna an, und ihr seht, was man alles in diese vordergründige nostalgische Heiterkeit sonst so alles verpacken kann. Ich war tief beeindruckt und hemmungslos mitgerissen!
Die Freundinnen Tanja und Rosie: Betty Verbeulen und Barbara Raunegger
War Donna schon der Wahnsinn, fällt es mit schwer Betty Vermeulen und Barbara Raunegger zu beschreiben! So verdammt komisch, dass man Tränen lachen muss, dass man immer nur die Bühne absucht, in der Hoffnung, die beiden tauchen gleich wieder auf… es war so ein Irrer Spaß und die beiden Damen sind einzigartig in ihren Rollen.
Dabei ist Vermeulen die mehrfach reich verheiratete und noch reicher geschiedene Frivolität in Person. Dabei ist sie hin und wieder peinlich, aber wenn, dann sehr vergnügt und absichtlich. Die Rolle gibt enorm viel her, sie ist gut geschrieben, und sie macht dem Zuschauer einfach Spaß. Da könnte man meinen, es ist ein leichtes, sich da reinzuleben. Ich allerdings glaube, dass Komik noch einen Tick schwerer ist zu spielen, weil der Witz und das Sprühen des Esprit so arg vom Timing abhängt. Bei Vermeulen passt das alles. Sie verstand es, dem Charakter einen Überdrehtheit zu verleihen, die Spaß machte, aber ihn dennoch als halbwegs normale Person zeichnete. Leicht blasiert, immer ein wenig über den Dingen stehend, absolut im Reinen mit ihrer Art zu leben, bleibt sie sich immer treu. Sie hat schon genug erlebt, um den meisten Dinge mit ironischer Lässigkeit zu begegnen. Außer, es wird ernst. Da kann sich Donna auf sie uneingeschränkt verlassen. Sonst liebt und lebt sie mittendrin, und lässt die Sau raus, wo sie sich eben noch im hautengen Nobelfummel den Cocktail servieren ließ. Vermeulen IST diese Person, die im richtigen Moment die Handbremse einfach loslässt und sich kopfüber ins Abenteuer stürzt, welches auch immer. Was soll schon groß passieren? Zur Not gibt’s ja Scheidungsanwälte…
Auch Barbara Raunegger als Überfeministin Rosie war in glänzender Spiel- und Singlaune. Auch bei ihr war das Timing für die Situation perfekt und garantierte haltloses Vergnügen. Im Gegensatz zum Film konnte sie als Darstellerin der Rosie mir auch tatsächlich vermitteln, warum sie Teil des Freundinnentrios ist. Im Film fand ich den Charakter sehr vernachlässigt, möglicherweise ist er das auch in der Geschichte. Die Präsenz und das enthusiastische Spiel von Barbara Raunegger macht diese Schwäche der Vorlage wett. Vollkommen eigenständig entwickelt sie ihren Charakter mit viel liebe zum detaillierten Spiel. Dabei setzt sie sowohl auf körperliche Vorzüge (es mag platt klingen, aber die Szene, in der ihre wippende Oberweite ihr beim Tanzen die Schau spielt, ist zum Umwerfen), als auch auf ihre pure Energie, die der der anderen beiden gleicht.
Hier findet sich ein wirkliches Trio, welches diese Freundschaft und das, was sie ausmachte und auch noch jetzt ausmacht, greifbar macht.
Die drei Freundinnen tragen das Stück
Die Damen zeichnen ihre Rollen grundsympathisch und haben mich sehr eingenommen. Sie haben alle eine Vergangenheit, jeder hat was zu tragen und viel erlebt. Aber: Sie leben, sie lieben, sie lachen.Soviel Blödsinn, Witz, Spannung, Energie und Liebe zum Leben haben sich die drei Damen aus ihrer Jugend bis ins mittlere Alter also erhalten und bringen das auch genauso glaubhaft rüber. Die Unbeschwertheit, die die Damen gezielt in ihr Bühnenleben holen, holte mich ab.
Dieses Dreigestirn war top aufeinander eingespielt, voller Energie und sich nicht zu Schade, auch die flachen Witze (derer gab es eh nicht so viele) gekonnt in Lacher zu verwandeln.
Ich habe es geliebt, diesen dreien zuzuschauen. Sie waren das Highlight. Auch gesanglich haben sie die Klassiker wirklich absolut bewundernswert interpretiert. Choreografien und Gesang waren absolut grandios. Liebe Hollywood-Größen und -Routiniers: Sorry, aber die Ladys in München haben euch eindeutig links liegen gelassen.
Schlussapplaus vom Stück und von mir
Der Schlussapplaus ist durchchoreografiert und hat die Zugabe schon gleich miteingebaut. Das ist eine witzige Idee und ich persönliche habe noch nie so viele Leute stehend singen, klatschen und jubeln sehen wie an diesem Sonntag Nachmittag!
Ich hab den Film momentan zu Hause, ich hatte ihn mir von der lieben Bille ausgeliehen … ich werde ihn jetzt guten Gewissens zurückgeben und mir Karten besorgen für April. Da gastiert Mamma Mia nochmal für eine Woche in München im Deutschen Theater.
Geht auch hin! Macht es wie ich: Packt eure Freundinnen ein, habt Spaß und lässt euch aus den Sitzen reißen. Selten hatte ein Musical mehr Potential für eine Granaten-Abend! Viel Spaß!
Alle Fotos via Pressedienst Deutsches Theater München / Stage Entertainment
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