Seit Drew Sarich – meine Inspiration für so ziemlich alles, was ich tue – wieder im Wiener Ronacher als Graf von Krolock seine Zähne in zarte Sarah-Hälse versenkt, hat mich die Vampir-Euphorie gepackt.
Ich gebe zu, Tanz der Vampire entwickelt eine hohe Sogkraft. Dabei gehört er für mich wahrlich nicht zu meinen Lieblingsmusicals. Drew muss halt dabei sein. Dann funktioniert die Story für mich. Dann werde ich geradezu hypnotisch angezogen davon.
Aber nicht nur ich. Durch mein Haus schalmeit es von morgens bis abends. Der große Vorteil dieses Musicals ist definitiv, dass es auf deutsch ist und so auch Kinder unterhalb eines 2-jährigen Schulenglisch-Niveaus mitkrakeelen können. Morgens schon wird durch die Gruft getanzt, mittags laden mich die Kinder musicalhaft nicht zum Ball, dafür aber zum Trampolinhüpfen. Meine Anweisung, dass nicht alle gleichzeitig hüpfen dürfen wegen Verletzungsgefahr wird mit einer umgestalteten Liedzeile abgetan: Guten Mittag, hab um uns keine Angst!
Auf die Frage, was ich morgen kochen soll, wird lautstark irgendwas mit Knoblauch, Knoblauch gefordert. Die Ankündigung, dass wir am Sonntag den Gottesdienst besuchen werden wird gekontert mit Wieso: Gott ist tot, nach ihm wird nicht mehr gesucht. Kinder sind so kreativ! Ehemänner auch. Habe diesen Satz erst vor kurzem selber in einem Forum gelesen: Eine Frau war mit ihrem Mann bei IKEA, und der deutete voller Inbrunst in Kokoul-Manier auf die Teelichter und grunzte: Kerzen, Kerzen. Seit ich davon erzählt habe, werden überall Kerzen angegrunzt. An Orten wie Kirchen löst das kompromittierende Blicke aus. Und mein Sohn antwortet doch neulich auf die Frage, was ich ihm aus der Bücherei mitbringen solle, doch glatt: Bücher, Bücher, 100000 Bücher.
Ihr seht: das TdV-Fieber hat uns erfasst.
Nun bin ich begeisterte Hobbynäherin und das Highlight jedes Näh-Jahres sind die Faschingskostüme. Immer kurz vor Weihnachten machen wir uns gemeinsam Gedanken und jeder darf sich dann ein Kostüm aussuchen. Ihr dürft einmal raten, was der Sohn dieses Jahr sich erdacht hat? Nun, wir waren im November TdV in Wien gucken. Derart inspiriert gab es also nur eine mögliche Antwort: Graf von Krolock
Ehrlich gesagt, hielt ich es anfangs für ein Faschingskostüm für deutlich zu aufwendig. So etwas hätte ich eher in den Bereich Cosplay verhörtet als auf einen Faschingsball. Aber nachdem ich auch mit Vampir-Fieber darniederlag und die Mädchen sich für deutlich weniger aufwändige Kostüme entschieden, lies ich mich breitschlagen. Ha! Das war gelogen. Ich musste mich nicht breitschlagen lassen, ich wollte da auch. Ich wollte Mini-Drew bei mir zu Hause haben! Wir haben uns für dieses wunderbare Kostüm, wie es Drew während der Totalen Finsternis trägt, entschieden: der rote Gehrock mitsamt Weste drunter und ein Umhang, außen schwarz, innen rot.
Embed from Getty ImagesLeicht abgewandelt hab ich es insofern, als dass Drews Kostüm eigentlich einen hohen Kragen angesetzt hat. Andere Versionen haben das wohl anders gelöst und eine kragenlose Variante. Ich auch. Aber mein Sohn wird ja nicht Graf von Drewlock, sondern Krolock junior.
Ich möchte euch hier einfach kurz zeigen, wie ich das gemacht habe mitsamt ein paar Tricks und Kniffe. Vielleicht wagt sich der ein oder andere ja auch mal daran. Nähkenntnisse müssen aber zwangsweise vorhanden sein. Ich als Näherin bin ausgestattet mit einer guten Nähmaschine und einer Overlock.
Also, auf gehts!
Schnitt
Am Anfang steht natürlich der Schnitt. Ich habe einen fertigen Burda-Schnitt genutzt, den ich schon zu Hause hatte. Vor fünf Jahren war das Kind mal als Pirat unterwegs und dann mal als Mozart.
Und diesen Mantelschnitt habe ich hergenommen. Burda 2459 oder 2452, je nachdem, ob ihr für einen Erwachsenen oder für ein Kind näht. Mit Burda-Schnitten kann man nix falsch machen und die 13 Euro sind wirklich gut investiert.
Stoff
Nordwestlich von meinem Heimatort Augsburg gibt es einen wunderbaren Laden. Bei Butinette gibt es alles, was das Faschingsherz höher schlagen lässt (auch online!). Dort habe ich zunächst mal rote Faschingsseide erstanden. Außerdem hatte ich wirklich Glück und habe einen Rest schwarzen Samt ergattert. Eigentlich bräuchte man wirklich immens viel Stoff für einen Umhang, aber ich hab ein bisschen geschummelt. Ich habe den Fadenlauf ignoriert und die Stoffbreite als Mantellänge genommen. In diesem Fall war das ausreichend, denn der Stoff lag 1,40m breit und der Junior ist nicht größer als 1,40 m. Glück gehabt. Dazu hab ich noch einen dunkelroten Futterstoff gekauft für die Innenseite des Mantels und für die Weste einen schwarzen Baumwollstoff mit Struktur.
In allen Fällen ging mir der Geldbeutel deutlich vor Exaktheit. Ich war nie versessen darauf, das Kostüm in allen Einzelheiten so abzubilden, wie es Drew trägt. Es sollte lediglich Vorbild sein. Ich kann es euch nicht genau sagen, aber zusammen mit diversen Spitzen und Borten habe ich ca. 150 Euro ausgegeben.
Der Gehrock
Du schneiderst also den Mantel nach Schnittmuster. Erwähnen muss ich noch, dass ich den Gehrock nicht abgefüttert habe. Das war mir dann doch zuviel Arbeit. Als der Gehrock mal quasi im Rohbau fertig war, ab ich ihn meinem Sohn noch angepasst. Da ich ja keinen lockeren Mantel haben wollte, sondern einen eleganten und deshalb passgenauen Gehrock, habe ich hinten zwei Abnäher eingenäht. So sitzt das Kleidungsstück sehr schön und macht wirklich eine schlanke Silhouette.
Verzierungen
Dann habe ich mich an die Verzierungen gemacht. Dazu habe ich mit verschiedene Borten einfach ein bisschen gespielt.
Die eine habe ich verdoppelt, die andere hab ich zerschnitten und anders wieder zusammengesetzt. Da ist der Phantasie keine Grenze gesetzt. Wie gesagt, ich hatte nie den Anspruch, dass der Gehrock 1 zu 1 wird wie einer, den es schon gibt. Da unterscheidet sich das Kostüm wahrscheinlich von einem, wie sie Cosplayer schneidern. Ich wollte nur der Idee folgen. Ein bisschen knifflig fand ich, die Spitze in die Ärmel zu kriegen. Da musste ich mehrmals ein bisschen hin und herdenken. Aber schussendlich war der Gehrock fertig und ich habe es ohne Hilfe von außen (ich bin Teilnehmer eines Nähkreises, in dem ich immer auch die Leiterin -die gute Renate- um Rat fragen könnte) hinbekommen. Auf den Bildern, die ich studierte habe, besitzt dieser Gehrock wunderschöne Zierknöpfe. Die habe ich bewusst weggelassen, denn der Gehrock wird eh nie geschlossen.
Weste
Die Weste hingegen hat viele Knöpfe und deshalb ebenso viele Knopflöcher. Da bin ich meiner Maschine dankbar, die das für mich quasi selbstständig macht. Als Knöpfe habe ich hier trickreich quasi „Abfall“ verwendet. Wenige Tage vorher ging meiner Tochter ein Armband kaputt, dass lauter große Glitzersteine hatte. Die hatte ich noch aufgehoben in der Hoffnung, das man das Ding wieder reparieren kann. Konnte man nicht, aber ich hab sie als Knöpfe verwendet. Das sieht edel aus.
Umhang
Der Mantel/ der Umhang ist das kniffligste Teil. Ich habe den Umhang zuerst ohne den Stehkragen gearbeitet. Dazu hab ich die lange Stoffbahn meinem Sohn einfach um die Schulter gehängt und Schulterabnäher abgesteckt und gesteppt. Mit dem Futterstoff bin ich genauso verfahren. Und dann habe ich beide zunächst am Kragen zusammengenäht. Ich wollte, dass der Umhang Fledermaus-Form bekommt, entsprechend habe ich ihn dann noch zugeschnitten. Beide Teile, Oberstoff und Futter, habe ich an der Seite nur ein Stück weit und unten gar nicht miteinander verstürzt. Das wäre mir zuviel Arbeit gewesen und ich finde, die Stoffe fallen getrennt voneinander auch viel schöner, ohne, dass irgendwo Falten auftauchen. An den seitlichen Enden habe ich jeweils einen Tunnel umgenäht. Darin habe ich dünne Stangen von Scheibengardinen (lagen noch im Keller rum) hineingeschoben und oben zugenäht. Jetzt sind die Seiten so stabil, dass man den Umhang an den Seiten mittig hochheben kann und der Rest vom Stoff stabil in der Luft „steht“ und nicht einfach herunterhängt. Sehr wirkungsvoll.
Es steht und fällt (mit dem) der Kragen
Das schwierigste ist aber der Kragen. Den hab ich frei Schnauze erstmal aus Karton ausgeschnitten, den Stoff entsprechen zugeschnitten und den Karton-Rohling überzogen damit. Als Stoff habe ich den Rest des Westenstoffes verwendet. Ich fand es schön, dass sich der Kragen so vom Rest des Umhangs abhebt und Geld spart es außerdem. Den Kragen dann anzunähen wäre noch kein Problem. Aber dieses Ding kippt immer nach hinten unten. Ich habe schon im Fachgeschäft beim Stoff kaufen mit zwei Verkäufern darüber diskutiert. Deren Meinungen gingen meilenweit auseinander. Die eine meinte, das würde schon gehen mit einer steifen Einlage. Der andere meinte glatt, ich müsste ein Drahtgestell bauen. So weit kommt’s noch. Es ist tatsächlich knifflig. Ich habe mir mit einem alten Haarreif meiner Töchter beholfen. Den hab ich an die Innenseite unten am Kragen angenäht und beides an den Umhang. Der Haarreif hält den Kragen jetzt immerhin gebogener Form, dadurch kann er nicht nach hinten kippen. Was eine wirklich sinnige Idee war, scheiterte dann aber insofern an der Umsetzung, dass nach einem Faschingsball samt Spielen, Hüpfen und Tanzen der Haarreif gebrochen ist. Vor dem nächsten Einsatz muss ich mir also Gedanken machen über etwas, das stabiler ist als ein Haarreif. Allzu starr darf es auch nicht sein, denn der Junior muss das Ding ja verletzungsfrei um seinen Nacken bekommen. Das wird noch spannend. Aber die prinzipielle Idee, den Kragen in eine Rundung zu pressen, funktioniert.
Der Rest
Schwarze Schuhe, schwarze Jeans (Stoffhose war keine vorhanden im heimischen Kleiderschrank) und ein schwarzes Hemd waren ansonsten noch von Nöten. Den Jabot hab ich in der Butinette gekauft, lediglich noch mit einem Knopf wie er an der Weste vorkommt, verziert.
Make Up
Geschminkt habe ich nach Anleitung: Es gibt ein wunderschönes Video aus der Sendung mir der Maus, in der Jan Ammann zeigt, wie er sich schminktechnisch in Graf von Krolock verwandelt. Wenn man wie ich ein bisschen Faschingsschminke zu Hause hat, ist das mit einmal Üben kein Problem. Die Finger, das, was mich an Drew so unglaublich fasziniert, sind richtig richtig gut geworden:
Da das Kind ja wirklich echt aussehen wollte, haben wir dem dunkelblonden Jüngling auch noch die Haare schwarz getönt.
Zähne?
Ach ja, fast hätte ich es vergessen. Die Zähne. Natürlich braucht der Vampir Zähne. Zwei verschiedene Plastik-Beisserchen aus dem Faschings-Shop haben wir ausprobiert und für unmöglich befunden. Und hier kommt unser guter Freund Heinzi ins Spiel. Der ist Zahntechniker mit eigenem Labor und für viel Schmarrn zu haben. Nach einem Abdruck beim Zahnarzt hat er uns eine Schiene mit zwei wunderschönen Junior-Vampir-Eck-Zähnen gefertigt. Wenn aufwändiges Kostüm, dann aber richtig. Hat der Junior auch gleich an mir, dem Leopard, ausprobiert:
Was soll ich sagen? Es war ein voller Erfolg. Ich war stolz auf das Ergebnis, der Junior hat sich angewöhnt, zu schreiten statt zu schlürfen.
Und als Krönung wird er am 1. Juni, wenn wir den Wiener Vampiren wieder einen Besuch abstatten, das Kostüm in der Vorstellung tragen.
„Und an der StageDoor, da beiß ich dann den Drew!“
O.K., Drew Sarich, be aware of Krolock jr.!
Gefällt euch das Kostüm? Habt ihr auch schon aufwändige Kostüme genäht? Habt ihr Anregungen für mich? Dann kommentiert gerne, und: kennt ihr jemand, den dieser oder andere Artikel von mir interessiert? Dann teilt ihn bitte!
Ingrid Lechner
Liebe Julia! Danke für Deinen tollen Nähbericht! Es ist wahrlich ein Vergnügen, dir quasi beim nähen und tüfteln zuzusehen! Du hast ein unglaublich tolles Kostüm gezaubert, das alle Blicke auf sich ziehen wird. Auch die von Drew! Da bin ich überzeugt! Ich habe noch einen nähtechnischen Tipp. Für den Kragen könntest du noch Rigelene probieren. Das ist ein Kunststoffband das biegsam ist und nicht so leicht bricht. Man verwendet es um leichte Korsagen zu versteifen! Wenn du es noch nicht kennst, ein Versuch ist es wert. Ich wünsche Dir noch viele inspirierte Nähstunden! Und ja – die Vampire inspirieren und besonders Drew lockt so manche verborgene Leidenschaft ans Tageslicht. Liebe Grüße aus Österreich! Ingrid Lechner
julia
Liebe Ingrid! Vielen Dank für deine lobenden Worte! Die haben mich durch und durch gefreut. Das mit dem Kunststoffband wusste ich noch nicht. Aber ich werde mir das besorgen und auf alle Fälle ausprobieren! Danke für diesen Tip! Herzliche Grüße, Julia