Wenn schon mal ein Musical in Augsburg Station macht, dann muss ich da doch hin. Theater Liberi ist unterwegs in ganz Deutschland mit mehreren Produktionen und machte in der Kongresshalle halt mit einem Klassiker: Die Schöne und das Biest. Die Musicals von Liberi sind als Familienmusical konzipiert und betitelt. Wenn so etwas als Teaser verwendet wird, interessiert es mich schon, ob die Macher dem auch gerecht werden. Also hab ich kurzerhand die ganze Familie eingepackt: Den Mann, 3x Kind (7, 10, 13) und eine Oma. Alle zusammen haben wir übrigens so viel bezahlt wie einer alleine an einem Samstag in PK1 eines kommerziellen Musical-Theaters!
Kurzes Fazit vorneweg: Ich ging beschwingt mit einer überaus zufriedenen Familie nach Hause!
- Inhalt
- Musik
- Inszenierung
- Darsteller
- Belle: Anastasia Ivanova
- Prinz Pierre/ Biest: Robert Steffen
- Vater/ Schlossbewohner Gerard: Alessandro Frick, Schwester/ Schlossbewohner Marion: Lisa Marie Breithaupt, Schwester/ Schlossbewohnerin Juliette: Carina Krämer, Taureau/ Schlossbewohner Ciment: Alexander Mikliss
- Fazit
Die Schöne und das Biest – Das Musical
Inhalt
Was bei Die Schöne und das Biest passiert, ist den meisten hinlänglich bekannt. Auch bei Theater Liberi verirrt sich zunächst der Vater auf Reisen im Wald, pflückt eine Rose für seine Tochter und zieht damit den Zorn des Rosenbesitzers, des Biests, auf sich. Dieses möchte Rache üben und fordert ein Leben für eine Rose. Schließlich lässt das Ungeheuer den Vater nur ziehen, damit dieser sich von seinen Töchtern verabschieden kann. Den Weg nach Hause und wieder zurück zum Schloss soll er mithilfe eines Ringes finden.
Derweil erhoffen zuhause die drei Töchter die Rückkehr des Vaters. Während seiner Abwesenheit buhlen die zwei älteren Schwestern um die Gunst des schönen, aber eitlen und einfältigen Taureau. Der wiederum hat nur Augen für Belle.
Als der Vater zurückkommt und von seiner Begegnung mit dem Biest erzählt, entschließt sich Belle, an dessen Stelle zum Schloss zu gehen – schließlich wollte der Vater mit der Rose ja Ihr eine Freude machen.
Mithilfe des Ringes im Schloss angekommen, trifft Belle auf das Biest, das ihr gebietet, für immer zu bleiben. Belles ängstliche Zögerlichkeit kann sie schnell ablegen. Schlagfertig und mutig stellt sie sich dem Ungeheuer entgegen, so dass das Biest seine Drohkulisse nicht lange aufrecht erhalten kann.
Sie lernt die verzauberten Angestellten des Hauses kennen und freundet sich mit ihnen an. Außerdem spricht hin und wieder eine Stimme mit ihr, die aus einem Spiegel zu kommen scheint.
Die Angestellten geben sich große Mühe, Belle zum Bleiben zu bewegen und eine Annäherung zwischen dem Biest und Belle zu forcieren. Auch das Biest erhofft sich das, ist Belle doch die einzige, die ihn offenbar noch vom Fluch befreien kann. Gute Ratschläge werden ausgetauscht (an dieser Stelle gab es Gute-Laune-Kinder-Mitklatsch-Lied: Nun lach doch einfach mit), schließlich schenkt das Biest Belle etwas, das sie mag – ein Buch – und möchte mit ihr tanzen.
Belle ist hin- und hergerissen zwischen der Idee, im Schloss alles zum Guten zu wenden und der Sehnsucht nach dem Vater. Sie geht, verspricht aber, zurückzukommen.
Daheim trifft sie auf den Vater, der krank vor Sorge ist und auf Taureau und ihre Schwestern. Taureau möchte das Biest besiegen und so Belle für sich gewinnen. Er nimmt Belle mit einem Trick den wegweisenden Ring ab. Im entscheidenden Moment aber klammert sich Belle aber an Taureau, so dass plötzlich beide im Schloss des Biests landen.
Um ihn davon abzuhalten, dem Biest etwas anzutun, ringt sich Belle dazu durch, ihrem Verehrer Taureau ihre Liebe vorzutäuschen, was wiederum das Biest verzweifeln lässt. Schließlich aber schaffen es die Hausangestellten, Taureau aus dem Verkehr zu ziehen. Belle erkennt ihre Liebe und Fürsorge für das Biest erlöst dadurch ihn, das Schloss und alle seine Bewohner von dem schrecklichen Fluch, der darauf lastete.
Musik
Die Schöne und das Biest ist kein durchkomponiertes Musical. Es gleicht über weite Strecken eher einem Theaterstück mit Gesangseinlagen. Gerade, um die Handlung voranzutreiben, wird viel gesprochen und gespielt, während die Songs eher dazu da sind, Gedanken zusammenzufassen und auf den Punkt zu bringen oder das Gefühlsleben der Protagonisten zu offenzulegen.
Genau das, was ich eben beschrieben habe, habe ich in meinem letzten Beitrag über Pretty Woman noch kritisiert: Theaterstück, Theaterstück, Theaterstück, zwischendurch ein Song, der auch dem letzten einflüstert, wer sich gerade wie fühlt und dann wieder Theaterstück.
Aber: Das Zielpublikum ist hier ein völlig anderes. Während ich bei Stage in Hamburg ausschließlich auf Erwachsene im Publikum setze, werden hier explizit Familien mit Kindern ab 4 Jahren angesprochen (die auch mehr als zahlreich vertreten waren). Da hat dieses Vorgehen seine Berechtigung, ja ist möglicherweise ein Muss. Kinder können der Handlung so einfach besser folgen und sich dann auf das folgende Lied emotional viel besser einlassen. Witze zünden besser, Charaktere lassen sich deutlich runder beschreiben.
Einzig schade an diesem ansonsten gelungenen Konzept fand ich, dass nicht mit einer Ouvertüre begonnen wurde. Das hätte als Wesensmerkmal eines Musicals schon noch dazugehört zur Einstimmung und eine musikalische Eröffnung kann man Kindern durchaus zumuten.
An der Musik merkt man am meisten, dass das Stück auf Kinder abgestimmt ist. Die Texte sind wirklich einfach.
Ich bin so heiß
lösch mich mit Eis.
oder
Wir sind ein Stern
sind uns nicht fern.
sind nur zwei Beispiele dafür. Wobei ersteres vom einfältigen Toreau gesungen wird und deshalb auch schon wieder seine Berechtigung hat.
Wer hohe Literatur oder tiefgründige Texte sucht, wird hier nicht unbedingt fündig. Aber es sollen Gefühle kindgerecht-plakativ transportiert und Situationen auf den Punkt gebracht werden. Da braucht es einfache Texte und auch die vielen Wiederholungen sind da berechtigt. Meine Kleinste fand es super, mir und Dem Mann war es teilweise aber schon zu flach.
Die Lieder selbst sind passabel. Was mir sehr gut gefallen hat, war, dass man versucht hat, verschiedene Musikrichtungen unterzubringen. In der Hauptsache waren Pop-Balladen zu hören, aber zwischendurch lauschte man auch einem spanischen Flamenco, jazzhaltiger Melodien oder gar einem Rap. Zweimal wurde das Publikum auch direkt aufgefordert, mitzuklatschen und das wurde begeistert angenommen.
Aber die Lieder sind allesamt, ähnlich wie die Texte, höchst einfach gehalten, egal ob von der Komposition oder auch vom Arrangement.
Das ist das größte Manko in meinen Augen. Ich habe bereits mehrere Produktionen von teatro in Wien gesehen, die ja ebenfalls Musiktheater für Kinder machen. Das hat dort musikalisch schon noch mal eine ganz andere Qualität. Die Songs hier funktionieren auf der Bühne ganz gut, richten sich aber tatsächlich zu sehr an Kinder, so dass man als Erwachsener musikalisch nicht gänzlich zufrieden sein kann. Und als Familienmusical sollten auch alle Familienmitglieder bedient werden. Hört man die CD im Nachgang, dann ist das mehr eine Kinderlieder-CD als eine Familien-Musical-CD.
Inszenierung
Bühnenbild
Das Bühnenbild einer Tourproduktion muss aus logistischen Gründen nur ein rudimentäres sein. Und so besteht es hier aus mehreren verschiebbaren Fassadenstücken, die, je nachdem, wie man sie dreht, entweder das Häuschen von Belles Familie darstellen oder das Schloss in verschiedenen Perspektiven. Der Umbau erfolgt auf offener Bühne, während das Licht gedimmt ist. Treibende Musik und das Aufblitzen der Spots zeigen deutlich, das etwas vor sich geht, dass sich die Szenerie verändert, und erzeugt dabei aber auch ein klein wenig Spannung, so dass die Umbaupausen nicht unbedingt als störend empfunden werden.
Ein dunkler Vorhang im Hintergrund, auf dem kleine LEDs als Sterne leuchten, machen die Bühne komplett. Dass durch diesen Vorhang gleich zu Beginn der Wind so schön weht, ist eine hübsche Kleinigkeit noch nebenbei.
Viel mehr braucht es auch nicht, um die Geschichte passend zu erzählen.
Daumen hoch also für ein einfaches, aber gut durchdachtes Bühnenbild
Kostüme
Innerhalb der Familie scheiden sich hier die Geister: Ich fand sie sehr fantasievoll, sämtliche Damen der Familie ebenfalls, während die Herren vor allem bei den verfluchten Hausangestellten die Augenbrauen skeptisch hoben.
Aber von vorn: Belle trägt zu Beginn ein einfaches Kleid in blau und rot und bekommt schlussendlich ein sehr süßes, eher schlichtes und damit eben nicht dem Disneyfilm nachempfundenes Kleid fürs Finale.
Die verwunschenen Untertanen sind in Kostüme aus orangebrauner Glitzerfolie gehüllt. Sie ähneln damit den Mauern im Schloss und zeigen so, wie sehr sie mit dem toten Gemäuer verwachsen sind und eben nicht am echten Leben teilhaben. Ich fand die Idee sehr süß, zumal die Kleidung im groben Schnitt den Menschen und ihren Frisuren/ ihrer Kleidung in ihrem jeweiligen früheren Leben nachempfunden war. Als hätten sie die Mauern quasi übergestreift. Außerdem mochte ich als witziges Detail die Spinnweben, die überall an den Kostümen hingen. Der Ehemann fand jenen Teil der Kostüme nicht so grandios, vielleicht fehlt ihm dafür einfach die Fantasie..?
Das Biest war toll aufgemacht: Allen voran das tierische Gesicht und die Perücke waren perfekt, auch seine sonstige Aufmachung tadellos.
Choreographie
Natürlich wird in Die Schöne und das Biest auch getanzt. Belle tanzt, die Schlossbewohner tanzen, das Biest und Belle tanzen. Die Paartänze sind wie auch die Ensemble-Choreographien eher einfach. Wenn alle in Bewegung sind, beschränken sie sich die Choreographien vielfach auf ausladende Armbewegungen wie man – oder Eltern – sie vom KiKa-Tanzalarm kennen. Das war zweckmäßig. Prinzipiell ist das ganze Musical sehr angelegt auf das Mitmachen, Teilhaben, auf das Runterbrechen der Geschichte ins Publikum. Das ist auch in Ordnung, das darf so sein.
Ich persönlich verfolge da aber schon die Idee, dass Musical sein Publikum auch stellenweise richtig verzaubern darf, faszinieren. Manchmal darf einem doch auch einfach der Mund offen stehen bleiben können! Das hab ich hier vermisst. Es wird so eine märchenhafte Geschichte erzählt, da hätte ich mir sowohl für die Musik als auch für die Choreographie auch ein wenig Glitzer, Staunen und Boooooooaaaaah gewünscht. Nicht Cirque du Soleil, oh nein. Aber es hätte ein wenig mehr Märchen, ein wenig mehr Fantasie, ein wenig mehr Zauber sein können. Denn auf der Bühne steht auch eine ausgezeichnet ausgebildete Cast. Auch denen hätte ich anspruchsvollere Choreographien gewünscht. Denn die können was!
Komik
Das Stück ist in sich schlüssig aufgebaut und wird geschickt über kleinere Bögen zusammengehalten.
Zum Beispiel beginnt das Stück damit, dass der Vater ruft: Hallo, ist da jemand? Als Belle dann zum ersten Mal im Schloss ist, ruft sie denselben Satz. Ich mag diese Art Klammern in einem Stück. Ähnlich ist es mit Reprisen: Man spürt recht schnell eine Vertrautheit, wenn das Lied über das Glück nochmal abgewandelt ertönt, wie auch das Wir sind ein Stern.
Die witzigen Momente wirken ähnlich verbindend im Stück. Schön gemacht ist, dass Tureau eher einfältig wirkt, Ciment aber ebenso und beide vom gleichen Darsteller gespielt werden. Überhaupt kaspert sich Ciment zwar penetrant, aber trotzdem noch angenehm durchs Stück, denn man hat immer sofort eine Ahnung, was jetzt schiefgehen könnte und freut sich diebisch, wenn es tatsächlich so kommt.
Überdies funktionieren ein Kehrblech als auch ein Hirschgeweih als Running Gag.
Darsteller
Belle: Anastasia Ivanova
Anastasia Ivanova gibt eine wirklich zauberhafte Belle. Sie ist überaus präsent und spielt gekonnt deutlich ihre Rolle aus, ohne übertrieben zu wirken.
Dabei stellt sie Belle dar als mutiges Mädchen, das sich von niemanden etwas sagen lassen muss. Gleichzeitig hat sie aber ein feines Gespür für die Bedürfnisse der Menschen. Sie ist fürsorglich und fröhlich.
Musiktheater für Kinder lebt auch davon, dass sich Kinder mit den Figuren identifizieren können, dass sie für Kinder greifbar werden und als Vorbilder dienen.
Anastasia Ivanova ist dafür in jeder Hinsicht eine Idealbesetzung. Gesanglich überaus sicher, in den Choreographien überschäumend und überaus sympathisch!
Prinz Pierre/ Biest: Robert Steffen
Robert Steffen liefert als Biest eine ganz starke Leistung! Mir großer Körperlichkeit gibt er zunächst das Biest drohend.
Dabei überzeugt er zum Beispiel mit seinen schweren großen Schritten, die die ungeheure Gestalt noch unterstreichen. Aber er versteht es auch, die anderen Facetten des Biests darzustellen: Einsamkeit, Resignation, Hoffnung.
Stimmlich tobt er sich total aus: vom Knurren und Grunzen zu Beginn gibt er seiner Sprechstimme im Bezug auf Belle immer eine sympathische Unsicherheit. Gesanglich eine Wohltat vor allem in der Tiefe.
Vater/ Schlossbewohner Gerard: Alessandro Frick, Schwester/ Schlossbewohner Marion: Lisa Marie Breithaupt, Schwester/ Schlossbewohnerin Juliette: Carina Krämer, Taureau/ Schlossbewohner Ciment: Alexander Mikliss
Die vier Ensemblemitglieder haben sich wunderbar aufeinander eingestellt. Stimmlich harmonieren sie toll, das Timing gerade in den komischen Situationen klappt perfekt! Ich möchte keinen extra hervorheben, denn sie funktionieren nun mal als Ganzes und haben – abgesehen von Taureau – keine Solonummern.
Diese sechs jungen Künstler lieferten insgesamt eine wirklich hervorragende Leistung ab. Sie sind mit ihrem Herzen bei der Sache, das merkt man deutlich.
Fazit
Die Schöne und das Biest von Theater Liberi ist als Musical für Familien mit Kindern ab 4 Jahren konzipiert. Durch die Augen der Kinder gesehen, wird die Tourneeproduktion ihrem Anspruch auch vollkommen gerecht: Sie liefert eine spannende, aber auch für Kindergemüter nicht allzu aufregende Geschichte über Vorurteile und Liebe mit Witz und flotten Melodien, die sehr lebendig rübergebracht wird und die Kinder wirklich anspricht. Auch für Erwachsene ohne Musical-Erfahrung (die Oma!) war es rundum gelungen. Ich als erwachsener, musical-erfahrener Kritiker hab mich auch prächtig unterhalten gefühlt, auch wenn die Musik samt Texte sowie die Choreographien hin und wieder etwas tiefgründiger und zauberhafter hätten ausfallen können. Immerhin erzählt man ja ein Märchen! Ein phantastische Ensemble aber lässt großzügig darüber hinwegsehen. Sämtliche Familienmitglieder von 7-jähriger bis zur Oma waren überaus angetan.
Kompliment an Theater Liberi! Sie haben eine wunderbare Möglichkeit geschaffen, Kinder an Musicaltheater heranzuführen. Und das zu wirklich fairen Preisen! Wie sagte meine Tochter direkt nach der Vorstellung: Mama, das will ich nochmal anschauen!
Darum werden wir auch die nächste Produktion von Theater Liberi auf alle Fälle besuchen!
Titelfoto: Joachim Schlosser
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