Meinen erster Besuch bei Jesus Christ Superstar im Jahr 2020 führte mich nach Salzburg. In der dortigen Szene präsentierte die Musical Company Austria das Kultstück zum 50-jährigem Jubiläum in einer Produktion auf sehr hohem Niveau. Chor, Ensemble und Solisten ließen gesanglich keine Wünsche offen, kleine Kritikpunkte schmälerten deshalb den Genuss kaum.
Musical Company Austria
Geschäftsführer Thorsten Kieker bringt in einem kurzen Vorstellungsvideo auf der Website der Company auf den Punkt, was die Gruppe leisten möchte: mit Musicalproduktionen auf höchstem Niveau das Publikum emotional berühren. Es sei verraten, das ihnen das diesem Fall mehr als geglückt ist.
Als Standort für Jesus Christ Superstar diente die Szene in Salzburg. Das ist ein ehemaliges Stadtkino im Herzen der Altstadt mit schmucker Kneipe vorndran. Der ca. 500 Plätze fassenden Theaterraum mit unverputzten Wänden aus rotem Backstein hat Flair.
Wie der Name schon sagt, die Szene ist nicht so gediegen wie in herkömmlichen Theatern, sondern hat ein bisschen was Industrielles, was Experimentelles. Ich habe es als einen sehr belebten wie auch belebenden Ort empfunden. Dieser Wohlfühlort steht lokalen Künstlern offen, hat sich aber auch international ausgerichtet.
Jesus Christ Superstar
Ich hoffe das Stück ist hinlänglich bekannt. Es erzählt die letzten 7 Tage im Leben Jesus Christus bis zu seinem Tod am Kreuz. Ungewöhnlicherweise geschieht das aus der Sicht von Judas Iskariot. Das ist der Jünger Jesu, der ihn am Gründonnerstag an die Hohenpriester verrät. Spannend zu wissen ist, dass ungemein viel Originaltext aus der Bibel Eingang fanden in die Lieder, es aber trotzdem ein Stück bleibt, dass nicht unbedingt religiös gedeutet werden muss. Alles kann auf vielfältige Weise interpretiert werden, auch die Beziehung von Jesus und Maria Magdalena. Das macht das Stück spannend und zeitlos. Ebenso die Musik: Jesus Christ Superstar wird als Rockoper bezeichnet. Es ist durchkomponiert, d.h. es gibt keine Sprechtexte. Die Lieder sind rockig, es finden sich prägnante Gitarrensolostellen, epische Chormomente und eine der bekanntesten Balladen der Musicalwelt: I don’t know how to love him.
Die Inszenierung der Musical Company Austria
Regie
Die MCA hat eine über weite Strecken berührende Produktion auf die Beine gestellt mit einigen für mich stimmigen und sinnigen Highlights. Regisseurin Suzana Novosel spannt einen Bogen, unter dem sich das Stück entfalten kann. Das passiert stimmig. Ihre Interpretation aber ist so überhaupt nicht meins. Das macht nichts, ich kann das sehr gut trennen: Innerhalb ihrer Intention hat mir das sehr gut gefallen.
In einem im Programmheft abgedruckten Interview gibt sie folgende Idee ihrer Inszenierung preis:
Judas steht stellvertretend für die Gesellschaft, die den Glauben verloren hat, sich im Konsum der Welt verliert und immer höher, weiter, schneller sein will – er ist der Spiegel unserer Gesellschaft. …
Diese These zweifle ich stark an. Glauben verloren? Judas hat meiner Meinung nach den Glauben an Jesus/ Gott nicht verloren. Er hat ihn nicht aus Hass oder Enttäuschung verraten, auch nicht der 30 Silberlinge wegen, sondern aus dem tiefen und ehrlichen Gefühl heraus, dass die Bewegung mit Jesus als Anführer in die falsche Richtung driftet:
you began to matter more than the things you say..
Glauben in unserem religiösen Sinn tun in diesem Stück nur die wenigsten, jeder verfolgt eine andere Idee (z.B. Simon). Und trotzdem verfolgt Suzana Novosel diesen religiösen Aspekt konsequent. Um das sichtbar zu machen, befindet sich das Kreuz, an dem Jesus am Ende stirbt, schon von Anfang an auf der Bühne. Mehr noch, es wird bisweilen effektvoll beleuchtet und rutscht so immer wieder in das Bewusstsein der Akteure wie der Zuschauer:
Während des Auftaktes, wenn Judas singt, kniet Jesus vor dem Kreuz. Dieses Kreuz zu Beginn schüchtert Jesus ein, sein Schicksal schwebt augenscheinlich die ganze Zeit über ihm. Dieses Mahnmal hemmt ihn, es nimmt ihm die Souveränität. Jesus handelt nicht frei, er bewegt sich ab und an wie eine Marionette. Er weiß nicht, wie ihm geschieht, obwohl er genau weiß, was mit ihm geschehen wird.
Auch Pilatus muss nach seinem Traum am Kreuz vorbei und wirkt eingeschüchtert, verwirrt.
Den Glauben als Komponente bringt die Regisseurin auch in der Ouvertüre unter: Judas schleicht durch die zunächst bewegungslos im Dunklen verharrende Menge, die irgendwann anfängt, sich zu bewegen. Schließlich fallen sie zu Boden. Mit der bekannten Fanfare betritt Jesus die Szenerie, das Ensemble erhebt sich: Jesus lässt die Menschen auferstehen. Damit wird jene religiöse Komponente, die Webber im Stück eigentlich nicht vorsieht, nämlich die Auferstehung, implementiert.
Bei Could we start again, please leuchtet das Kreuz: Ein Wiederbeginn nach dem Tod am Kreuz? Erleuchtung?
Wie gesagt, ich -sehr gläubig übrigens- bin überhaupt kein Fan dieser sakralen Deutung. Mich hat das Stück immer genau dann fasziniert, wenn auf die Theologie verzichtet wird und Jesus als Mensch dargestellt wird (he is a man, he is just a man). Aber natürlich darf Suzana Novosel ihre Sicht der Dinge haben, vor allem, wenn sie es so stringent umsetzt wie in dieser Inszenierung.
Den Bogen zur Konsumsucht, die sie Judas unterstellt, wird deutlich sichtbar in der Tempelszene. Da tritt das Ensemble ganz in schwarz gekleidet auf, so, wie Judas auch schwarz gekleidet ist. Sie stellt ihn hier in die Reihe derer, denen Geld vor Glaube kommt. Ich habe diese Szene – abseits der mir widerstrebenden Interpretation – richtig genossen, denn sie war sehr zurückhaltend und dennoch aussagekräftig. Es hat da auch eine schöne Entwicklung stattgefunden: Zunächst ging es nur ums Geld. Dann im Fortgang, wurden einige Damen von den Menschen im Tempel in eine aufreizende Tanz-Choreographie gedrängt.
Das Timing beim Judas Verrat hat dann wunderbar zu dieser Sichtweise gepasst. Judas beginnt zögernd: on thursday night you find him where you want him. Es scheint, er würde damit sein Geständnis beenden und undeutlich bleiben, bis Kaiaphas hörbar das Geld fallen lässt: Jetzt verrät Judas die Einzelheiten. Das lenkt den Blick auf Judas materielle Ausbeute, das war sehr geschickt gemacht.
Auch die unglaublich tiefe Liebe, die diese beiden Figuren füreinander empfinden, ist ein Kernpunkt des Stückes.
Diese Meinung teile ich unbedingt mit Novosel, aber gemessen an dieser Intention hat mir da doch einiges an Interaktion zwischen den beiden Figuren gefehlt. Ich hab das auf der Bühne sogar eher gegenteilig empfunden: Die Menge um Jesus trat beständig auch als Gruppe auf. Ich habe viele andere Inszenierungen gesehen, wo die Gruppe sich eher im Hintergrund hielt, um die Persönlichkeiten von Jesus und Judas näher zueinander zu führen. Hier hatte ich die Gruppe vorrangig vor den Individuen gesehen. Nicht, dass mir das nicht gefallen hätte, nein. Aber es passte aber nur bedingt zu dem, was die Regisseurin über das Stück sagt.
Ich hoffe, ihr versteht, was ich meine: Obwohl ich mit der Idee der Interpretation nicht einverstanden bin, darf ich ich dennoch der Regisseurin immer dann eine sehr gute Arbeit bescheinigen, wenn sie ihre Sichtweise klar ausdrückt und konsequent verfolgt.
Bühne
Die nicht sonderlich große Bühne war gut gefüllt: Mittig (Breite wie Tiefe) befand sich ein großes Podest mit fünf Stufen und abschließendem Geländer. Die Musiker nahmen links und rechts dieses Podestes Platz. Links vorne dann noch das schon angesprochene, beleuchtbare Kreuz. Gespielt wurde auf dem Podest und davor, als zusätzlicher Raum wurde auch der Gang vor der ersten Publikumsreihe sowie die Seitengänge genutzt.
Kostüm
Die Klamotten der Akteure sind in der Neuzeit verortet: Im Ensemble bei den Damen herrschen Oversize-Pullis, Latz- oder Haremshosen vor, die Jungs treten in zum Beispiel in Cargohosen auf. Jesus ist wie üblich in weiß gekleidet: weiße Hose, weißer Pulli, weiße Weste. Im Gegensatz dazu zeigt sich Judas dunkel: schwarze Hose, braunes Shirt, schwarze Weste. Schön fand ich, dass beide eine Weste trugen, quasi das verbindende Element der beiden.
Maria Magdalena sticht im relativ unscheinbaren roten Leinenkleid nicht sonderlich hervor, das aber ist genau auch die Absicht (siehe Abschnitt Maria Magdalena).
Die Hohepriester Kaiaphas und Annas sind typischerweise in Schwarz gewandet mit wenigen, aber wirkungsvollen Zierelementen: Kaiaphas trägt einen Turban, Annas trägt ein edles Gilet, Goldkette und führt einen schwarzen Stock mit goldenem Knauf mit sich.
Unbedingt erwähnens- und lobenswert: Die Kleider der Soulgirls bei Superstar. So geschmackvoll und passend hab ich das selten gesehen! Die goldene kurzen Kleider waren mit einem leichten Kragen versehen, der wie Engelsflügel aussah. Das fand ich überaus passend und geschmackvoll!
Musik
Gespielt wurde die Bandfassung mit 11 Musikern, darunter die Salzburger Band Blank Manuskript. Die machten ihre Sache allesamt sehr gut und waren knackig mit der Partitur, nahmen manche Songs aber eher langsam. Bisweilen haben sie die Stücke auch sehr frei interpretiert (möglicherweise auch freier arrangiert), was durchaus Spannung beim geübten Zuhörer hervorrief. Sehr cool fand ich die relativ lange Generalpause vor Strange Thing Mystifying.
Im 1. Akt war die Tonabmischung ziemlich in Ordnung. Ich saß in der 1. Reihe mittig, daher kann ich nicht für den gesamten Zuschauerraum sprechen. Im 2. Akt war die Musik dann deutlich zu laut, da sind einige Stellen leider untergegangen.
Der größte Gewinn war ohne Frage der tolle Chor, der leider nicht sichtbar war, sondern hinter dem hohen Podest stehen musste – warum eigentlich? Die hätte man schon erhöht stehen lassen können. Viele Stellen, die in anderen Inszenierungen mangels Chor nur instrumental erklingen, waren durch den Chor unterstützt, zum Beispiel die Kreuzigungsszene, die mir wirklich Gänsehaut beschert hat.
Choreographie
Die Bühne bietet ja nicht viel Platz, deshalb ist sauber durchdachte Choreografie unerlässlich. Ich fand das in jeder Hinsicht perfekt gelöst: Es gab einige spritzige Tanzchoreographien, insgesamt war das Stück aber nicht überfrachtet damit. Das Ensemble agierte hervorragend und was mir besonders aufgefallen ist: Obwohl alle die gleichen Bewegungen vertanzen, ist doch der jeweilige Tanzstil sehr individuell erhalten geblieben. Natürlich wurde für die Choreografien das mehrstufige Podest ausgiebig genutzt.
Cool, wie schon in der Ouvertüre nicht Richtung Jesus, sondern Richtung Kreuz geklatscht wird. Immer gerne gesehen, so auch hier, wenn Jesus auf seinem Weg durch die Rechtsinstanzen nicht nur von links nach rechts über die Bühne laufen muss, sondern treppauf- und treppab vor dem Publikum entlang geführt wird.
Die Rollen und ihre Darsteller
Lorenzo di Girolamo als Jesus
Gesanglich war ich echt überwältigt. Nach den ersten drei Tönen schon hatte mich Lorenzo überzeugt: Er hat zunächst Besonnenheit und Zurückhaltung, ja sogar Unsicherheit in seine Stimme gelegt.
Auch im Umgang mit den Jüngern ist Lorenzos Jesus einer, der mir schwer beklommen scheint. Er agiert oft wie ein Unwissender, reißt verängstigt die Augen auf, lässt sich bedrängen: Like a wounded animal.
Dies hielt er auch bis zum Tempel. Da brach es dann voll aus ihm heraus. In Szene mit den Armen und Siechen hat er seine Lage hervorragend beklemmend veranschaulicht, und er ist wirklich beeindruckend in den Höhen!
Eine ebenfalls starke Stelle: will no one stay awake with me: Da ist kein Staunen, kein Ärger. Nur tiefe Furcht.
Ob dann das folgende Gethsemane gut war oder nicht, muss man nicht hören: da reicht ja das Gefühl. Wenn am Ende die Tränen laufen, dann wars wohl ein Volltreffer. Dieses Gethsemane war wundervoll. Ihr wisst es, ich gehöre zur Drew-Crew (also die fanatischen Drew-Sarich-Anhänger), und ich liebe dessen so kraftvoll-körperliche Gethsemane-Interpretationen. Umso spannender fand ich, dass dieses Stück ebenfalls intensiv gewirkt hat, als es Lorenzo komplett anders gesungen hat: Er fängt leise an. Und er kehrt immer wieder zu diesen leisen Tönen zurück, immer bei den Zeilen I want to see oder I want to know. Es klingt hilfesuchend, fragend, unsicher: I am not as sure. Fast wirkt es, als wolle er sich tadeln für diese Unsicherheit, die er schon das ganze Stück über fühlt. Er kann das alles nicht einordnen, er ist überfordert, er wirkt von Anfang an nicht souverän. Er transportiert diese Grundstimmung, die er von Anfang an gezeigt hat, bis hierher. Hier traf dann seine stimmliche Interpretation auf diese Grundstimmung: Peng: Emotionen explodieren, weil er so authentisch wirkt.
So, und gerade weil ich diese Darstellung aufmerksam verfolgt habe und umwerfend fand, möchte ich was anmerken. Es hat nichts mir Lorenzos Leistung zu tun. Es ist nur eine winzige Kleinigkeit, ein Detail! (Ich stehe auf Details!): Nail me to your cross singt Jesus und schaut erschrocken auf seine Handflächen! Ich hätte es sehr aufmerksam gefunden, wenn ihr das aufgegriffen hättet und eben diese Wundmale später zu sehen gewesen wären! Und, wenn wir schon bei Kleinigkeiten sind: Ihr habt Jesus zu hoch gekreuzigt. Eigentlich sollte Jesus am Kreuz hängen. So war es nicht sehr realistisch. Auch nicht kriegsentscheidend, aber Lorenzos Leistung war so erstklassig, dass ich ihm die Stimmigkeit bei diesen Details sehr gewünscht hätte.
Michael Moore als Judas
Für ihn fand ich es ein wenig schade, dass die Inszenierung ihm zwar den konsumgeilen Nicht-Gläubigen überstülpen will, genau dies aber nur an wenigen Stellen hervortritt. Diese Idee allein verhilft der Figur nicht zum notwendigen Profil. Textlich ist das auch so wenig belegt, dass ich fand, er hing da ein wenig in der Luft.
Schade, denn insgesamt ist er ein sehr interessanter Sänger. Er phrasiert seine Motive oft ein wenig, er zieht den Text manchmal über die Melodie hinweg und nimmt sich auch sonst häufig die Freiheit, aus der Partitur auszubrechen. Das ist natürlich Geschmacksache. Rein objektiv betrachtet war das gesanglich schwer in Ordnung, deshalb: Daumen hoch.
Die Tontechnik war nicht immer nett zu ihm, hat auch in der Premiere bei der ersten Strophe von Superstar vergessen, sein Mikro hochzudrehen.
Sein Selbstmord geriet intensiv und beeindruckend: Mit immenser Körperlichkeit leidet er unter dem, was Jesus in ihm ausgelöst hat (why he moves me). Großes Kino!
Deborah Posadas als Maria Magdalena
Ihre Maria ist eine junge Maria, eine zurückhaltende. Mit hochgezogenen Schultern steht sie vor Jesus und schaut ihn durchweg von unten an. Das lässt das Bild entstehen, dass sie in ihrer Überzeugung den Platz an Jesu Seite nicht verdient: I shouldn’t be in this position. Auch sie ist, ähnlich wie Jesus, gehemmt und weiß nicht so recht, was vorgeht: what’s it all about ist ihr zentraler Satz.
Laut Regisseurin ist sie eine tiefgläubige Person, die an der Existenz Gottes nicht zweifelt und ihm folgt, aber keine Liebesbeziehung zu Jesus hat. Dieser Interpretation ist Deborah Posadas wirklich sehr gut gefolgt.
Passend zu ihrem eher scheuen Charakter einer einfachen Frau ist sie auch nicht – wie so oft – in knallig auffälliges, sondern in schlichtes, gedecktes Rot gekleidet.
Deborah Posadas singt ruhig und überlegt ihre Maria, eher staunend. Auffallend sind ihre weichen Schlusskonsonanten.
Stephen Shivers als Kaiaphas
Kaiaphas steht und fällt mit dem tiefen, unheilvollen Bass. Den singt Stephen Shivers klar, allerdings wurde er von der Tontechnik ein bisschen zu wenig beachtet. Ich hätte mir da mehr Verstärkung gewünscht. Vollkommen souverän bei This Jesus must die, nimmt er sich dann deutlicher zugunsten von Annas zurück – ganz so, wie es in meiner Wahrnehmung auch sein muss. Er sieht die Notwendigkeit, Jesus zu töten. Die Leidenschaft aber dahinter findet sich bei Annas. Insofern eine wirklich vortreffliche Leistung von Shivers.
Samuel Meister als Annas
Ein Volltreffer für mich, Samuel Meister hat mich hoch begeistert. Wisst ihr, wenn ihr im Stück sitzt, Annas tritt auf und ihr denkt die ganze Zeit: So ein glatter, hinterhältiger Vollarsch!, dann hat der Darsteller echt alles richtig gemacht. Samuel Meister war so schmierig, so ekelhaft glatt. Gehässig und ruchlos hat er beobachtet, wie Jesus verhaftet wurde und sich damit verächtlich über Jesus erhoben. Seine ganze Heimtücke und Arglist war spürbar, wenn er mit seinem Gehstock arrogant über die Bühne stolziert ist.
Die Partitur hält für Annas einige schwierige, weil wirklich hohe Passagen in Kopfstimme bereit. Die hat er wirklich meisterhaft (war klar, dass das Wortspiel kommen musste..) gesungen. Er hat mich auf ganzer Linie begeistert, Kompliment für diese Leistung!
Manuel Agrill, Bastian Dumböck, Stefan Enzinger als Priester
Ganz hervorragend und deshalb unbedingt erwähnenswert waren die 3 Priester. Die waren super: so ängstlich, so ein bisschen planlos. Ein wenig abseits von den beiden Hohepriestern hat man gemerkt, dass ihnen die Situation Unbehagen beschert und sie damit so gar nicht umgehen können. Bei he is dangerous brach sogar eine gewisse Hektik aus. Ich konnte das vorher so noch nie beobachten, es hat mich wirklich begeistert, wie schön diese sonst sehr vernachlässigten Rollen ausgespielt waren.
Die drei Herren waren natürlich auch Teil des Ensembles und auch dort überaus präsent.
Besonders Stefan Enzinger gefiel mir mit seinem intensiven Spiel in jeder Rolle.
Antonio Calanna als Simon
Stimmlich hätte mir Antonio gut gefallen, er wusste den Song zu seinem zu machen. Allerdings war er zu leise, bei Kaiaphas-Darsteller Stephen Shivers hab ich das schon beschrieben.
Er hat den Song wirklich gut getroffen, die Choreographie war da auch stimmig. Simon hat vor seinem Stück die Jünger um sich rum regelrecht aufgewiegelt und vor seinem Lied so die passende Atomsphäre kreiert, in die das Lied dann voll eingeschlagen hat.
We will win ourselves a home war der Satz, den er wohl ins Zentrum gestellt hat. Der war so inbrünstig. Das hat mir sehr gefallen, denn er spiegelt so viel verschiedene Hoffnung: Hoffnung für die ganze Gruppe (ourselves), Hoffnung auf einen Sieg (win), und schließlich die Hoffnung, die das Volk Israels über Jahrhunderte begleitet hat: home. Und diese Hoffnung personifiziert sich für ihn in Jesus Christus.
James Sbano als Pilatus
Sehr schön klar und unaufgeregt nimmt Sbano, der schon vor über 40 Jahren in der Urfassung des Stückes am Broadway mitwirkte, den Pilatus. Als erhabene, entschlossene, aber ruhige Erscheinung ist er eher Verwalter als Herrscher und entfaltet seine Stimme gerade bei seinen Traum sein ganz angenehmes Timbre.
Richard McCowen als König Herodes
Oh, das war ein Fest! Richard McCowen hat dieses schwierige Lied hervorragend zu seinem eigenen gemacht. Geschminkt irgendwo zwischen humoristischem Clown und hinterhältigen Joker lässt er den Zuschauer bewusst im Unklaren, ob er das jetzt alles nicht so ernst nimmt, oder ob er Jesus zur eigenen Befriedigung erniedrigt. Das hat was. Er hat phänomenal gesungen, Akzente gesetzt und durch und durch gefallen!
Ensemble
Großartig gecastet! Jeder einzelne für sich war super, das Zusammenspiel wirklich harmonisch und gemeinsam entfaltete es eine ungeheure Dynamik. Die Stellen, an denen die Darsteller sich drängeln, um dem Verhör bei Pilatus beizuwohnen etwa, entwickelte eine krasse Aggressivität. So zügellos und unbarmherzig, ich war regelrecht gebannt. Das hat mir echt imponiert.
Fazit
Jesus Christ Superstar ist ein genial komponiertes Stück. So oft ich es schaue, hab ich Angst, dass man ihm nicht gerecht wird. So auch hier. Aber: Die Musical Company Austria hat geliefert! Zwar bin ich mit dem zugrunde liegenden Interpretationsansatz nicht warm geworden, aber dennoch hat die Regisseurin es verstanden, ihre Idee so umzusetzen, dass das das meiste zusammenpasste und ich das Stück deshalb genießen konnte. Getragen wurde es zudem von wirklich großartigen Darstellern bis in die kleinste Rollen. Zweieinhalb Stunden Zugfahrt haben sich für mich ganz klar rentiert, ich bin froh, es gesehen zu haben.
Ich bescheinige euch hiermit offiziell, dass MCA tatsächlich für qualitative hochwertige Musicalproduktion mit viel Leidenschaft steht. Überzeugt euch gerne!
Alle Fotos: Dr. Joachim Schlosser Fotografie
Schreibe einen Kommentar