Mit der Uraufführung am 1. Mai 2025 wurde hier einmal mehr eine bekannte Oper vom Festspielhaus mit Buch von Birgit Simmler und Komponist Frank Nimsgern völlig neu interpretiert.
Krankheitsbedingt gibt’s hier leider keine vollständige Rezension, sondern als Gastbeitrag vom Mann eine reich bebilderte Inhaltsangabe, mit kurzer Zusammenfassung, einer Einordnung und Kurzrezension.
Das Freischütz-Musical ganz kurz
Eva betreibt mit ihrer Tochter Karin und Ziehsohn Abel eine Achterbahn, sie halten sich mehr schlecht als recht über Wasser und hoffen, bald endlich die letzte Rate für die Achterbahn abbezahlen zu können.
Das Unglück nimmt seinen Lauf, als auf dem Jahrmarkt der 1930er Jahre nacheinander Menschen zu Tode kommen. Die Nachbarsattraktion namens „Seele für Seele“ mit ihren zwielichtigen Betreibern Sam, Lilly und Maëstra ist dafür wohl verantwortlich. Die Zaubershow rühmt sich, dass Schüsse mit magischen Kugeln den Zauberkünstler Sam nicht töten können. Während also die Kandidaten in der Show auf Sam schießen, erwacht dieser kurz nach seinem vermeintlichen „Tod“ wieder. Weil dabei in Folge aber Unbeteiligte auf seltsame Weise zu Tode kommen, ermittelt Kommissar Adam.
Im Laufe der Show wird klar: Sam, Lilly und Maëstra wollen letztlich Kommissar Adam und Achterbahntochter Karin töten. Lilly war Adams erste Frau und ist rasend eifersüchtig auf Karin. Sie nutzen ein Zerwürfnis zwischen Karin und Abel, das sich um die Übergabe der Achterbahn dreht, und verwickeln diese gemeinsam mit Mutter Eva in eine Intrige aus Lust, Eifersucht und Gier. Zum Höhepunkt bringen sie die beiden jungen Leute Karin und Abel, die sich eigentlich lieben, dazu, in der zentralen Show von „Seele für Seele“ mit magischen Kugeln aufeinander zu schießen.
Einordnung der Elemente im Freischütz
Das Freischütz-Musical nimmt sich sehr vieler Themen an. Erfreulicherweise wird hier nicht die Oper von Carl Maria von Weber nachgespielt, sondern der dahinterliegende Mythos völlig neu interpretiert.
Der Freischütz-Mythos beinhaltet stets einen Jäger, der durch ein geheimes Ritual oder einen Pakt mit dem Teufel sogenannte Freikugeln erhält, die jedes Ziel treffen. Das Gießen dieser Kugeln findet meist in einer besonderen Nacht statt und erfordert unheimliche Zutaten. Im Gegenzug verkauft der Schütze symbolisch seine Seele. Von mehreren Freikugeln stehen einige immer unter Kontrolle des Bösen und können Unheil bringen. Der Mythos stammt aus dem Volksglauben des Spätmittelalters und war im gesamten deutschen Sprachraum verbreitet. [1, 2]

Das Freischütz-Musical ist lose auf einem US-Jahrmarkt der 1930er oder 1940er angesiedelt, aber als Comic-Variante. So ist Kommissar Adam gekleidet wie seinerzeit Detektiv Dick Tracy in Comic und Realverfilmung mit Warren Beatty. Auf dem Jahrmarkt symbolisiert die Achterbahn dabei das schöne, gute, fröhliche Lebensgefühl, das „Yippie Yeah“. Die Magie-Show „Seele für Seele“ symbolisiert die düstere Seite der Existenz, vergeltend, rachsüchtig, gefährlich, und Schaden verursachend.
Die jungen Leute heißen Karin und Abel, unsauber ausgesprochen Kain und Abel. Deren Mutter heißt Eva und lässt sich vom einem Angebot verführen. Der Kommissar heißt Adam. Alles schonmal sehr biblisch-alttestamentarisch, waren doch im Alten Testament Adam und Eva die Urfamilie mit den Söhnen Kain und Abel. Und nicht zuletzt beging Kain an Abel den ersten Mord. Dazu sollte es hier auch kommen, allerdings geht hier die Geschichte anders aus.




Die schöne Rothaarige heißt Lilly, mit vollem Namen Lilith. In der hier im Freischütz-Musical präsentierten Form geht diese Figur zurück auf ein mittelalterliches Werk des jüdischen Gelehrten Ben Sirach. [3] Er beschreibt Lilith als die erste Frau Adams, die sich nicht Adam und Gott unterordnen möchte und deshalb aus dem Paradies flieht, und fortan als Dämonin Liebende plagt. [4] So ist auch hier im Musical Lilly angelegt, als Racheengel, die Intrigen spinnt, um Liebenden Schaden zuzufügen.
Sam – Samiel – geht wohl auf den Erzengel Samael zurück, der in vor-biblischen Schriften oft mit Satan gleichgesetzt wird, weil er Menschen stets in Versuchung führt, um allein die himmlische Welt als heilig zu verdeutlichen. [5,6] Samiel wird in verschiedenen Schriften auch als der Gefährte Lilith geführt. Auch das hier passt auf diese Freischütz-Inszenierung.

Maëstra geht sprachlich auf die italienisch/spanische weibliche Form von „Maestro“ zurück, als Meisterin/Herrin. Die bekannteste mythologische Figur mit einem ähnlichen Namen ist Mestra (altgriechisch Μήστρα), die Tochter des Erysichthon. Mestra besitzt die Gabe der Verwandlung, die ihr Poseidon nach einer Vergewaltigung schenkt. Sie wird zu einer Gestalt, die mit Wandelbarkeit, List und weiblicher Selbstbehauptung assoziiert wird. [7, 8] Auch das passt wieder hervorragend zur Figur im Stück. Die Notwendigkeit der Figur der Maëstra für das Stück hat sich mir nicht erschlossen, alle ihre Handlungen könnten problemlos von Lilly mit übernommen werden, und dann wäre auch kein zusätzlicher, mit den anderen unverbundener Mythos notwendig.
Kurzrezension Freischütz-Musical
Das Musical Freischütz löst sich vollständig von Carl Maria von Webers Oper und nimmt die Elemente des Freischütz-Legende, vermischt sie mit vor-alttestamentarischen Mythen, und baut daraus ein quietschbuntes Stück in expliziten Kostümen und Masken. Hervorzuheben sind die Kostüme und Masken des Ensembles in Anlehnung an die sieben Todsünden. Der Freischütz-Mythos, die Figuren-Legenden, die Aufladung sogar der Hintergrundfiguren, die Szenerie des 1930er-Jahrmarktes, und dann noch sehr viel auf der Bühne zu sehen – das ist ziemlich viel auf einmal, und wirkt zunächst etwas wirr und überladen, auch die Kostüme (bis auf den Schlafanzug von Abel) sind für meinen Geschmack etwas „drüber“.
Die Musik im Freischütz ist rockig, wie von Frank Nimsgern gewohnt, und dient – da bleibt sich Nimsgern treu – eher zur Untermalung der Geschichte denn ihrem Vortrieb. Der Konflikt zwischen den Akteuren erscheint vor allem vor dem Hintergrund der Mythen nachvollziehbar, die magische Logik ist in sich halbwegs schlüssig, so dass die Geschichte besonders im zweiten Akt die Figuren zusehends an Format gewinnen lässt. Trotz überschaubarer Größe des Ensembles kann die Freischütz-Inszenierung die Dimensionen der Bühne in Füssen gut nutzen.
Die Bildergeschichte zum Freischütz-Musical „Seele für Seele“

Das Stück des Freischütz beginnt als Geschichte der Schaustellertochter Karin (Anna-Sophie Weidinger), die mit ihrem Adoptivkind-Bruder Abel (Manuel Karadeniz) die Achterbahn mit deren Mutter betreiben. Die beiden wollen heiraten.


Ein Fahrgast stürzt von der Achterbahn in den Tod, irgendwie scheint der Nachbar-Schausteller Sam (Dante Sáenz) involviert, und so tritt der Kommissar Adam (Mischa Mang) auf den Plan.



Karin entdeckt hier ihre Sympathie für Sam, dieser wiederum scheint sehr stark beeinflusst von der geheimnisvollen Lilly (Anja Backus), die mit Sam in der Jahrmarktattraktion „Seele für Seele“ mitmischt.



Mutter Eva (Femke Soetenga) beschließt, ihrer Tochter die Achterbahn zu übertragen, wodurch sich Ziehsohn Abel, der seit Jahren die Hauptarbeit macht, ausgeschlossen fühlt. Es bahnt sich ein Zerwürfnis an.



Erzürnt geht Abel zur nächsten Show von „Seele für Seele“, wo Showmasterin Maëstra (AMY) das Regiment führt. Die Schützin des Tages (Sophie Reinicke) soll auf Sam schießen, dieser fängt – quasi unsterblich – die Kugel, sieht einen Moment aus wie tot, und lenkt sie wie ein Zaubertrick auf denjenigen, an den die Schützin in dem Moment denkt.


Der alarmierte Kommissar tritt erneut auf den Plan und ermittelt, muss jedoch wieder abziehen, da während dieses Schusses niemand auf dem Rummelplatz gestorben ist. Sam zeigt sich danach ganz unter dem Bann Lillys.
Um das Intermezzo zu vervollständigen, macht sich Lilly an den immer noch wütenden Abel ran.


Mittlerweile hat sich Eva entschlossen, die Achterbahn doch beiden Kindern zusammen zu überschreiben. Da stirbt ein weiterer Fahrgast.


Bei den erneuten Ermittlungen von Kommissar Adam wird offenbar, dass er der Vater von Karin und der Ex-Mann von Eva ist.



Nachdem Lilly gezielt Adam in ihren Bann ziehen will, gibt sich Karin Sam hin.



Da aufgrund des neuerlichen Todesfalls die Achterbahn stillgelegt ist und die letzte Rate nicht abbezahlt werden kann, geht Eva auf das Angebot Maëstras ein, die Hälfte der nächsten Abendeinnahmen von „Seele für Seele“ zu bekommen, wenn Karin und Abel die Spieler sind. Eva wird hier übrigens mit einem Apfel verführt.


Abel und Lilly geben sich nun ganz einander hin, denn Abel fühlt sich schon allein wegen der Übergabe der Achterbahn hintergangen von Karin.




Schließlich treffen sich Abel und Karin wie mit Maëstra verabredet mit Sam(iel) zum Empfang der magischen Kugeln, in einem Reigen aus Bäumen, Wasser und Dunkelheit.


Sam versucht, Karin davon zu überzeugen, dass sie als erstes schiessen solle, da Abel die Absicht hätte, sie zu töten. Sie wehrt ab.




Als Adam von seiner Exfrau Lilith aus Überheblichkeit über den geplanten Verlauf des nächsten Abends und somit vom geplanten Tod der beiden Liebenden informiert wird, fleht Adam um das Leben seiner Tochter.

Sam – Samiel singt über sein Dasein, und ehrlich gesagt wollte ich nur diese Fotografie von Dante Sáenz unterbringen.


Die Show beginnt, Abel schießt als erster, Samiel wird getroffen, und mit ihm sinken alle getroffen danieder. Weil Abel an nichts dachte beim Schuss, stand niemand zur Verfügung, dem Sam die Kugel „weitergeben“ konnte, so dass dieser tatsächlich stirbt. Die anderen erwachen wieder.


Die Anwesenden sind überrascht von dieser Wendung, und erfahren von Maëstra, dass Samiel ein gefallener Engel ist. Schließlich werden wir Zeuge der Himmelfahrt Samiels.
Das Musical Freischütz anschauen
Das Stück war zunächst am Festspielhaus Neuschwanstein in Füssen und ist im Juni 2025 bei den Luisenburg-Festspielen in Wunsiedel zu sehen.
Alle Fotografien: Dr. Joachim Schlosser Fotografie
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